Die Lava
ausbreiten. Diese Eruptionssäule, die mit Überschallgeschwindigkeit Asche und Felsbrocken in den Himmel bläst, reicht bis in 40 Kilometer Höhe und würde binnen zweier Tage im Jetstream die gesamte Welt umrunden. Das«, er hielt inne, offenbar zum ersten Mal bestürzt über das, was dann geschehen würde, »das wäre definitiv das Ende der Menschheit.«
»Also, meine Herren«, meinte MacGinnis und klatschte in die Hände, »wir sollten doch dafür sorgen, dass die Bomben aus dem See geholt werden.«
Nachdem die Metallhülle der Handly Page Halifax endlich aufgespürt worden war, mussten sofort alle Vorbereitungen zu der Bergung des brisanten Wracks anlaufen. Lastwagen, die die Einzelteile eines besonderen Lastkrans mit sich führten, LKWs, die Wohncontainer und die großen Gegenlasten aus Beton für den Kran herankarrten, Kisten mit Tauch-und Bergemitteln.
Alles war für den Tag der Bergung vorbereitet: Am Ufer stand nun hoch und fest auf einem mit Betonplatten ausgelegten Areal der Hebekran, daneben lag das Gerüst, dasden Flugzeugkörper fassen sollte, in Einzelteilen auf der Wiese. Draußen auf dem See schaukelte die Boje, die den Liegeplatz des Wracks der Halifax markierten.
Joe war mit dem Motorboot vor den beiden Anlegestegen schon fast an der Stelle, um weitere Bojen an den Flügelspitzen zu setzen. Die wichtigsten Bergemittel wie Tauchgeräte, buoyancy bags und Pressluftbehälter befanden sich in einem Container auf dem Parkplatz vor dem Kloster Maria Laach.
Alles schien perfekt zu funktionieren. Trotzdem blieben die Mitglieder des Teams immer wieder stehen und sahen missmutig und skeptisch zum Himmel hoch. Dort ballten sich schwarze Wolken.
Die Luft war schwül und drückend.
Gaffer umringten das abgesperrte Areal auf der Wiese am Seeufer, von dem aus die Bergung des Bombers erfolgen sollte. Olav Bernick hielt sich in der zweiten Reihe, er durfte nicht auffallen. Noch beobachtete er, sondierte die Lage, das Kleiderbündel fest in die Hände gepresst. Dann ging er zielstrebig auf den Bergekran zu.
Im Trubel dieser Baustelle fiel er nicht weiter auf – es waren ja überall Menschen beschäftigt, liefen durcheinander, verständigten sich schreiend über große Entfernungen, sprachen in Walkie-Talkies. Sicherlich gab es niemand unter diesen englischen Flugzeugfanatikern, der jetzt noch jeden der Gruppe kannte. Jedenfalls war es ihm recht einfach gelungen, sich einzuschleusen – ein Zufall war ihm zur Hilfe gekommen.
Er trug einen Blaumann wie die anderen Arbeiter, und er war telefonisch von MacGinnis, dem Leiter der englischen Truppe, angeheuert worden. Aber er war natürlich kein gewöhnlicher Monteur – er war Schatztaucher und gehörte zu Schmidtdresdners Team. Wie die anderen Techniker stand er vor dem Kran.
Vielleicht genügte es, eine Schraube nicht ganz so enganzuziehen, wie es eigentlich erforderlich wäre, damit das Flugzeug zurück in den See glitt, wo dann das Schatztaucherteam schnell und unbehelligt im seichten Wasser die Goldbarren abtransportieren könnte.
Olav Bernick stand jetzt oben auf dem Kran, alles drehte sich leicht vor seinen Augen. Er hielt eine Hand um den Kranarm gekrallt, mit der anderen umklammerte er den elektrischen Schraubendreher. Der bewegte die Schraube keinen Millimeter weit.
Hier mit der Säge zu hantieren wäre viel zu auffällig und viel zu anstrengend. Die dicke Stahltrosse bekam er nie durch. Also etwas anderes. Man musste den ganzen Vorgang ja nur aufhalten. Eine Verschnaufpause. Um zwischenzeitlich ans Wrack zu gelangen. Die konnten ja keine Wachen auf dem Seeboden aufstellen.
Gerd Schmidtdresdner hatte ihn hierher geschickt: Es würde einfach sein, hatte er gemeint, er würde nicht auffallen, und das hatte sich als richtig herausgestellt. Der Wirbel, der hier herrschte, war unüberschaubar; natürlich hatte er einen Ausweis vorgezeigt. Aber Techniker, die nur Gerüste montieren sollen, überprüft man nicht so genau.
Bernick stemmte sich gegen das Gewinde, bis der Bolzen locker schien. Er musste ja nur im entscheidenden Moment versagen, um das Wrack zurück in den See zu schicken.
»Sie da oben«, rief MacGinnis.
Er sah hinab und hob grüßend die Hand.
»Klappt das alles da oben?«
»Ja«, brüllte er zurück.
MacGinnis lächelte und schritt langsam weiter.
Unvermittelt verfinsterte sich der Horizont, es wurde düster. Dunkle Wolkenballen zogen auf und türmten sich immer höher am Himmel. Die schwarze Mauer rollte bedrohlich näher,
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