Die Lava
höchstens als die englischen Luftfahrtnarren eingingen, die sich ein Flugzeug für irgendeinMuseum aus dem See geangelt hatten, war schon köstlich.
Der Motor begann zu arbeiten.
Joe kniff die Augen zu und blickte empor. Über die Laacher Caldera wölbte sich ein blauer, blankgeputzter Himmel, keine noch so kleine Wolke in Sicht. Der Nordengländer hatte im Internet eine Seite mit einem Wetterradarfilm überprüft, weder eine Kalt- noch eine Warmfront seien im Anmarsch, hatte er dann bestätigt. Kein zweites Mal sollte sie ein Sturm überraschen.
Der Motor tuckerte, die Kabeltrommel begann sich langsam zu drehen und wickelte das stählerne Schleppseil auf, bis es schließlich ganz straff spannte und wie ein Bleistiftstrich kerzengerade vom Ende des Kranarms in das Seewasser zeigte.
Hutter und Neal hatten den großen Haken zuvor in der Öse des Bergegerüsts verankert und die buoyancy bags , die das Wrack zur Oberfläche gehievt hatten, entfernt. Nun galt es zu sehen, ob das Seil das Gewicht hielt.
Es ging jetzt alles langsamer – jede Drehung der Trommel schien quälend lange zu dauern, bis letztlich ein Teil des Gerüstes aus dem Wasser lugte.
Joe lächelte glücklich, als die Gerüstkante über den Seespiegel spitzelte, MacGinnis stand vor dem Kran und klatschte zufrieden in die Hände. »Schneller, mach schneller!«, rief er dem Kranführer zu.
Lieber nicht, dachte Joe, bevor uns die Bergung zum Schluss doch noch misslingt!
Die Kabeltrommel ächzte. Schon ragte das gesamte Oberteil des Bergegerüsts über den Wasserspiegel. Wasser lief kaskadenartig herab und schäumte den See auf. Man konnte bereits die Geschützkuppel im Rumpf, die Pilotenkanzel mit den zackig heraustretenden Glassplittern und die Ansätze der Flügel sehen, von denen das Oberflächenmetallwie eine Bananenschale abgepellt war. Aus dem Flügelinneren stürzte zwischen dem Metallgerippe weiteres Wasser heraus. Das war gut so – es verringerte das Gesamtgewicht, das der Kran zu heben hatte. Irgendwo in diesem stählernen Ungetüm, keine zehn Fuß unter dem Wasser, lagen verkeilt die Bomben. Joe Hutter blickte auf die Uhr. Wenn das Tempo so anhielt, sollte das gesamte Wrack in rund einer halben Stunde über Wasser sein und frei in der Luft schaukeln. Eine Drehung des Krans würde es dann auf die Barke oder die am Ufer bereits errichtete Plattform senken. Dann endlich sollte es möglich sein, den Teil mit der Bombe vom Rest der Flugzeugtrümmer loszuschweißen und – endlich! – zu sichern.
Um die Absperrung standen mehrere Dutzend Leute, reckten Handys und Kameras in die Höhe. Was für ein Affentheater!, dachte Joe und rümpfte die Nase. Es würde noch schlimmer werden im Laufe der Aktion, später würden noch die Fernsehteams anrücken, ihre Reporter und ihre Kameras platzieren, um Interviews anfragen. Weil Joe am besten Deutsch sprach, hatte man ihn dieses Mal dazu auserkoren, mit den Medien zu sprechen; eine Aufgabe, die er nur ungern annahm, aber dann doch mit der entsprechenden Professionalität erledigen wollte.
Jetzt rollte ein Ball, ein großer, bunter aufblasbarer Ball hinter ihm über den Rasen, und ein kleiner Junge schlüpfte einfach unter der Sperre durch und lief ihm nach. Joe nickte einem der Polizeibeamten zu, der das Kind freundlich, aber bestimmt wieder auf die Liegewiese zurückbeorderte. Hoffentlich blieb es bei der friedlichen Atmosphäre. Hoffentlich erfuhr nie jemand, was sie hier wirklich taten. Der Junge heulte, als er zu seinen Eltern zurückkehrte, die aber regten sich nicht auf. Glück gehabt.
Die Halifax hing einige Zoll über dem See.
Erst drückten unzählige dünne Wasserstrahlen aus demBlechleib heraus. Sie rauschten plätschernd in den See, eine moderne Skulptur.
Joe schrie, um in dem Tosen überhaupt noch gehört zu werden. In das Rauschen und Brausen mischte sich ein neuer Ton, eine Art Scharren, metallisch. Als stöhnte der Kran.
Plötzlich peitschte ein Schuss.
Joe schrie auf, krümmte sich und stürzte zu Boden.
Blut strudelte aus seiner Seite.
Die Haupttrosse riss mit einem sirrenden, fast singenden Geräusch und schlug wie eine gereizte Giftschlange um sich, der Kran gab nach, knarrte und bog sich unterhalb der Mitte zu Seite.
Die Halifax rutschte wieder in den See. Das Wrack trieb am Gestell hinaus, als wolle es wieder in seinem nassen Grab versinken, die Ballone, die es an der Oberfläche halten sollten, rissen ab, und das Flugzeug versank zum zweiten Mal.
Franziska schrie auf und
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