Die Lava
Mann?«
Franziska drehte sich um, hinter ihr stand eine Krankenschwester mit ernstem Gesicht. »… oder Ihr Vater?«, fügte die Schwester schnell hinzu.
»Ich habe ihn nur gefunden und den Notarzt verständigt.« Sie hatte gewartet, bis der Hubschrauber gelandet und mit dem Taucher an Bord abgeflogen war. Ein Sanitäter hatte sie versorgt, ihr ein paar Medikamente gereicht und ihr eine dicke Decke gegeben. Dann war sie wie in Trance nach Hause gefahren, hatte Clara bei ihren Nachbarn untergebracht, sich umgezogen und war danach gleich zum Krankenhaus gekommen. Eigentlich ging der Mann sie nichts an. Doch sie wollte wissen, was mit ihm weiter geschah. Sie hatte noch nie jemandem das Leben gerettet, und es verblüffte sie, wie eigentümlich sie das berührte. Fast fühlte sie sich verantwortlich, dann wieder schien ihr der Mann egal zu sein,dachte sie nur an all das, was sie selbst mitgemacht hatte. Sie stand noch unter Schock, begriff sie.
»Wir tun für ihn, was wir können«, meinte die Schwester. Sie klang nicht sehr optimistisch. »Die Schnitte sind sehr tief. Sieht so aus, als sei das Messer groß und am Rand gezackt gewesen. Er hat sehr viel Blut verloren. Dann die Kälte. Der Zustand des Mannes ist kritisch.«
Franziska blickte sie stumm an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Kannten Sie den Mann?«, wollte die Krankenschwester wissen.
»Nein. Keine Ahnung. Ich bin nur zufällig vorbeigekommen und habe ihn gesehen.«
Die Schwester nickte, drückte dann mit ihrem Rücken die Tür zum Operationsraum auf und verschwand.
Franziska setzte sich wieder auf einen der unbequemen Wartestühle im Flur.
Ein Polizist kam und befragte sie ruhig und sachlich. Viel konnte Franziska nicht sagen, sie schilderte in knappen Worten, was vorgefallen war. Der Beamte notierte ihre Antworten in einem Notizblock. Er flüsterte, als wolle er vermeiden, dass der Taucher ihn hörte. Franziska hatte nicht viel zu berichten. Sie kannte den Taucher ja nicht einmal.
Schließlich stand sie auf und sah durch die Scheibe, die Ärzte arbeiteten noch, hinter ihnen blinkten Lichter an Apparaten. Plötzlich entstand Unruhe unter den Ärzten, einer, der über den Mann gebeugt gewesen war, richtete sich auf, hob den Arm und hielt einen gewaltigen Glassplitter in der Hand.
Franziska hörte Schritte auf dem Korridor, eine Schwester lief vorbei, aus der anderen Richtung eine zweite. Franziska und der Polizist sahen zu, wie beide schnell in das Krankenzimmer eilten. Ein weiterer Glasdolch wurde aus dem Mann gezogen.
Eine der Schwestern holte eine Sauerstoffmaske aus Plastik und stülpte sie dem Taucher auf das Gesicht. Die Ärzte wirkten nervös, einer blickte unentwegt auf einen Monitor. Aus Fernsehserien kannte Franziska das Gerät, es zeigte den Pulsschlag an – eine kleine grüne, gezackte Linie, die in unregelmäßigen Abständen nur noch schwach aufflackerte.
»Sie halten sich bitte bereit«, flüsterte der Polizeibeamte und sah auf seine Uhr, »falls wir noch Fragen haben.«
Franziska nickte. Sie überreichte ihm schweigend ihre Visitenkarte. Sie wollte nicht, dass die Polizei bei ihr zu Hause anrief. Der Polizist warf einen kurzen Blick auf die Karte und steckte sie ein.
»Wir melden uns.« Er drehte sich um und ging davon, so langsam, so darauf bedacht, kein Aufsehen zu erregen wie alle Besucher. Sie sah ihm nach, bis er die Glastür am Ende des Flurs öffnete und in den dunkleren Vorraum trat, wo sich die Fahrstühle befanden. Auch kein Job für mich, dachte Franziska, immer den Menschen misstrauen, immer irgendwelche fremden Leute mit dem Tod ihrer Angehörigen konfrontieren.
Die Ärzte wurden hektisch. Schließlich hob einer seine Arme und schüttelte den Kopf; die anderen machten noch kurz weiter, gaben dann aber ebenfalls auf.
Einer der Ärzte kam heraus und stellte sich zu Franziska. Die Anstrengung der letzten Stunde war ihm deutlich anzumerken. »Sind Sie die Frau, die ihn gefunden hat?«
»Ja.«
»Danke, dass Sie gewartet haben.«
»Wie geht es …«
Der Arzt blickte zu Boden. »Wir konnten nichts mehr tun. Er hat es nicht geschafft.«
Auf einmal schnell und leicht reich werden, das war Gerd Schmidtdresdners Traum.
Tatsächlich war er gerade drauf und dran, ihn zu verwirklichen, als er sich in den schwarzen Neoprenanzug zwängte.
Gerd Schmidtdresdner wohnte schon so lange in dieser Gegend, dass er seinen sächsischen Dialekt längst verloren hatte, bis auf das kleine fragende Nu?, das er am Anfang oder
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