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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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Ende eines Satzes noch zu sagen pflegte. Aber er wohnte noch nicht lange genug in Koblenz, um Menchen statt Menschen zu sagen.
    Zur Schatztaucherei war er aus einer jugendlichen Verirrung gekommen: Die großen griechischen und deutschen Heldensagen faszinierten ihn, die Erzählung von Jason und den Argonauten auf ihrer Suche nach dem goldenen Vlies, der Mythos des Schwertes Excalibur, das eine Hand aus dem See emporstreckt, der Hort der Nibelungen, der im Rhein versenkt worden war. Später kamen dazu Bücher, die ihm ein Onkel aus dem Westen mitgebracht hatte, Harry Rieseberg und Thomas Helm mit ihren phantastischen Geschichten um Golddukaten in spanischen Galeonen und teuflischen Riesenseepolypen, die in Wracks lauerten, um tapfere Taucher mit ihren Schlingarmen anzugreifen. Erst später las er andere Literatur, Günter Lanitzki etwa. Die Realität freilich sah völlig anders aus als diese romantischen Vorstellungen – was er tat, war in Wirklichkeit ein Geschäft, er führte ein Privatunternehmen mit einer Im- und Exportfirma als Deckadresse.
    Normalerweise suchte er an Flussbiegungen, wo die Kelten Waffen und Bronzekessel als Opfer deponiert, an Furten, wo es seit Jahrtausenden ununterbrochen Verkehr gegeben hatte, zwischen dem Ufer und einer Insel, wo er alte Stege, Brücken oder Bootsrouten vermutete, oder in der Nähe verlassener Wüstungen. Dieses Mal nicht: Es gab einen Tipp – einen Auftraggeber mit einem Tipp.
    Er hatte schon viel Zeug in den Alpenseen entdeckt und zur Oberfläche gebracht, Orden, Nazi-Kitsch, imitierte germanischeAntiquitäten. Eigentlich wertlos, brachte der Kram dennoch auf dem recht einträglichen Militaria-Markt einiges ein: Sammler waren verrückt genug, Unsummen für irgendwelche aus Kupferblech gefertigten germanischen Sonnensymbole auszugeben oder für Orden. Orden, die es ja zu Kriegszeiten zur Genüge gegeben hatte, waren nach Kriegsende schnell verschwunden, und mancher hatte sie kurzentschlossen im nächstgelegenen See oder Fluss entsorgt.
    Besser waren Kunstobjekte. War der Fund gut – erinnerte er an irgendeine berühmte archäologische Rarität – konnte er mit Boulevardzeitungen zusammenarbeiten, so die Bekanntheit und den Preis des Objektes in die Höhe treiben. Bei manchen Funden schien es ihm jedoch ratsam, die Öffentlichkeit besser außen vor zu lassen, da erzielte er günstigere Konditionen, wenn er gleich auf den Schwarzmarkt für Liebhaber zurückgriff.
    Wie er bei dieser Sache vorgehen würde, vermochte er noch nicht zu sagen.
    Der Anruf hatte ihn letzte Woche erreicht. Idealerweise befand sich das Zielgebiet in unmittelbarer Nähe, dem Laacher See. Kein besonders großes Gewässer, verglichen mit den Alpenseen, dem Chiemsee, dem Starnberger See, dem Ammer- und Attersee oder dem Königssee, wo er sonst tätig war, weil in dieser Umgebung die Nazi-Bonzen damals am längsten ausgeharrt hatten. Ein relativ kleiner See, zwei Kilometer lang und zwei breit, fast kreisrund also und maximal sechzig Meter tief. Und bei dem Zielobjekt handelte es sich nicht um eine Kupfer- oder Silberschale, nicht um eine mittlerweile verrottete Holzkiste mit Orden, Unterlagen und Kitsch, sondern um einen vergleichsweise riesigen englischen Bomber.
    Und das Beste: In dem Flugzeug lag Gold, viel Gold. Mindestens fünf schwere Kisten mit Gold hatte der Bomberan Bord gehabt, als er zu seiner fatalen Mission aufgebrochen war, Bestechungsgeld für irgendwen irgendwo hinter den feindlichen Linien. Seltsame Geschichte, schwer zu glauben. Aber der Anrufer hatte ihm versichert, dass er all das aus geheimen Dokumenten wusste. Schmidtdresdner nahm an, dass er sich auf seine Quelle verlassen konnte.
    Getroffen hatte er den Mann noch nie. Er klang arrogant, und Schmidtdresdner hatte sich ihm deswegen überlegen gefühlt. Aber nicht mehr. Der Typ war äußerst clever, selbst das Treffen gestern hatte der Auftraggeber ideal für sich genutzt. Er war und blieb ein Phantom, eine Stimme am Telefon, nicht mehr.
    Die Mannschaft zusammenzustellen war ein Kinderspiel gewesen. Abenteuerlustige Kerle gab es zuhauf, und nach jedem Bericht in einer Boulevardzeitung meldeten sich neue. Er musste nur auswählen.
    Doch nun – nun hatte er einen Mann verloren.
    Klaus Archenbald hatte gemeint, er habe das Wrack lokalisiert. Aber er wollte sich sicher sein und noch einmal tauchen, bevor er die Position verraten wollte.
    Schmidtdresdner hatte Archy – so nannte Archenbald sich selbst am liebsten in seiner nervigen,

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