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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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Jahren – kaum vorstellbar, dass er jetzt plötzlich wieder aktiv werden sollte.
    Dennoch: Auf dem Hochstein hatte ein Polizist einen Riesenspalt bemerkt und keine hundert Meter davon entfernteinen neuen, blubbernden Krater, den offenbar glühende, in der Nacht leuchtende Lava füllte.
    »Unmöglich ist es nicht«, erklärte Franziska Joe Hutter, als beide einen geschotterten Waldweg zu der Stelle hochstiegen, »aber trotzdem wieder schwer zu glauben. Unser Seismograph hat nichts registriert außer den üblichen Mikroerschütterungen, und ein Vulkanausbruch … nun, den hätten doch ein paar Leute mehr gesehen.«
    »Könnte nicht doch irgendwo Lava aus einem Spalt austreten?«
    »Das werden wir bald sehen.«
    Hutter befragte das GPS, sie befanden sich jetzt in unmittelbarer Nähe. Franziska lief voran und blieb abrupt stehen.
    Vor ihnen zog sich ein klaffender Spalt durch eine Lichtung, einige kleinere Risse erstreckten sich bis auf den Weg. Vorsichtig näherte sich Franziska dem Abgrund und schaute hinab. »Das sind mindestens fünf Meter!«
    Beißender Qualm sei daraus hervorgequollen, wüst nach Schwefel habe es gestunken, als säße der Teufel selbst dort unten, hatte der Polizist angegeben. Irgendwie geleuchtet habe das alles in der Nacht, und weiter unten am Berg sei ein Krater entstanden, in dem die Lava kochte.
    Franziska starrte auf das Loch im Boden und holte dann ein langes dünnes Drahtseil aus ihrer Tasche, dessen Ende sie geschickt und ohne große Worte zu machen um einen Baum am Rand der Lichtung band und mit einem Einschnappschloss befestigte.
    Joe bewunderte sie. Sie war so tatkräftig und effizient und vorausschauend – dass sie das Seil mitgenommen hatte!
    Franziska tauchte in den engen Spalt hinein, der kaum breiter war als sie selbst. Sie rutschte Stück für Stück nach unten. Es roch muffig, die Enge war beklemmend. Ihre Nase rieb am bröselnden, rinnenden Sand einer Wand; Steine, die hervorragten, drückten ihr schmerzhaft in den Rücken. Sieatmete tief, um ihre Platzangst im Schach zu halten. Sie atmete gewöhnliche warme Waldluft. Sie schmeckte keine Spur irgendwelcher vulkanischer Gase.
    Der Boden des Spalts war mit Herbstlaub bedeckt. Wurzeln ragten aus den Seitenwänden.
    »Genau das dachte ich schon aufgrund der Erosionsspuren«, sagte sie triumphierend, als sie den Kopf wieder aus dem Loch hob, und reckte ein dürres, braunes Laubblatt in die Höhe. »Der Riss ist mindestens sechs Monate alt.«
    »Aber …«
    »Vermutlich eine Absenkung durch Regengüsse, ein Stück des Hangs ist gerutscht. Keiner hat dieser Spalte Bedeutung zugemessen, bis jetzt die Zeitungen Panik schüren. Da betrachtet man das mit anderen Augen. Und meldet es …«
    Vielleicht stimmte es, was Uwe Lauf zu ihr gesagt hatte: dass alles gar nicht so schlimm war, dass die Serie von kleineren und stärkeren Erdstößen nicht bedeutete, dass der Laacher Vulkan aus seinem jahrtausendelangen Schlaf erwachte. Ja, gewiss hatte Clara riesige Blasen im See bemerkt, aber sie hatte auch von Wasserteufeln gesprochen – vielleicht war das gar keine kindliche Ausdrucksweise, sondern kindliche Phantasie. Wer wusste schon, wie sehr die Kohlendioxidproduktivität des Kraters schwankte, es konnte gut sein, dass es ganz normal war, dass größere Blasen kamen.
    Vom Laacher See ging die Sage, der Benediktinerabtei gegenüber habe sich einst eine Raubritterburg befunden. Die Klosterbrüder und die wüsten Rittergesellen lebten in beständiger Feindschaft – die fromme Lebensweise der guten Benediktiner war den Halunken ein ständiger Dorn im Auge, deshalb setzten sie ihnen zu, wo sie nur konnten. Die bösen Ritter überfielen die Mönche und raubten ihnen Hab und Gut. Eines Tages nun, es war Winter und der See lag vereist und starr in der Kälte, lud der Herr der Raubritter die Mönche ein, zu ihm zu kommen – er liege im Sterben, bereueseine Sünden und erbete Vergebung. Die Mönche kamen mit dem Schlitten quer über den Laacher See zur Feste der rauen Kerle, die aber hatten nur im Sinn, die Gottesmänner zu vernichten. Als sie das verstanden, eilten die Mönche mit dem Schlitten zurück zu ihrer Abtei, dicht verfolgt vom Ritter und seinen Gefährten, die ihnen auf ihren Rössern hinterher galoppierten. Der Ritter hieb mit seinem Schwert nach dem Abt, als dieser fast schon das Ufer am Kloster erreicht hatte, aber die schützende Hand Gottes ließ das Schwert fehlgehen. Der Ritter traf hart auf das Eis und durchschlug die Eisdecke. Ein

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