Die Lava
war ein paar Schritte vorangegangen, und Clara eilte ohnehin fröhlich vor sich hinhüpfend weit voraus.
Da! Jetzt war der Mann untergetaucht. Angestrengt betrachtete Hutter die Oberfläche, die wieder ruhig und leer vor ihm lag.
»Was schaust du so?«, erkundigte sich Franziska.
»Ich glaube, da war was …«, antwortete Joe Hutter ziemlich vage.
»Lass uns weitergehen, es sind noch zwei Kilometer bis zu den Mofetten«, meinte Franziska.
»Ich muss leider …«, begann Hutter. Er wollte ihr nicht erklären, warum es so wichtig war festzustellen, was ein Taucher im See suchte.
Im gleichen Moment kam der Taucher wieder hoch. Es schien ihm nichts auszumachen, dass jeder ihn vom Ufer aus erkennen konnte. Gleich darauf war er wieder verschwunden.
Was macht der nur?, fragte sich Joe. Er zwängte sich durch das Gestrüpp und die Büsche näher ans Ufer heran, um besser beobachten zu können. Er blickte hinter sich. Der stämmige Mann folgte ihnen nicht mehr.
»Wir sollten wirklich weiter …«, schlug Franziska vor, dieses Mal mit einer entschiedeneren Stimme. Clara war inzwischen schon vorausgegangen und blieb nun zögernd stehen, wartete auf ihre Mutter.
Wieder kam der Taucher nach oben, dieses Mal ganz nahe beim Ufer, keine zwanzig Meter von Hutter entfernt. Joe lachte laut auf – es war ein Blesshuhn, von dem er aus der Entfernung nur den schwarzen Körper erkannt hatte. Nunsah er deutlich die weiße Blesse auf der Stirn des Vogels und hörte auch das vertraute nasale Quäken des Schwimmvogels.
»Niedlich, oder?«, fragte Franziska und wollte gerade wieder drängen, da ging Hutter auch schon von selbst zum Uferweg zurück. »Gibt es in Schottland keine Blesshühner? Hier in Deutschland findet man sie in jedem Teich.«
»Ja, niedlich«, pflichtete er ihr bei. Wie sollte sie auch ahnen, dass ein Taucher im See eine große Gefahr darstellte?
Es begann etwas zu tröpfeln, bald aber schon fiel der Regen stärker.
Sie waren innerhalb kürzester Zeit klatschnass, durchweicht bis auf die Haut. Hutter klebte das Hemd am Körper. Franziska, die nur ein T-Shirt trug, begann zu zittern. Joe zwang sich, nicht genauer hinzusehen, zog sein Jackett aus und reichte es ihr, damit sie es hastig überzog.
Sie liefen um die Pfützen herum und hüpften ungelenk über eine große Spalte, die sich quer über den Weg zog und die sehr wahrscheinlich das jüngste Erdbeben aufgerissen hatte.
Wasser schoss durch die Rinne und wusch sie tiefer aus, rauschte schließlich in einer weißschäumenden Kaskade in den See.
Sie begannen, schneller zu gehen, schließlich rannten sie nur noch. Joe Hutter hatte Clara huckepack genommen. Er blickte nicht zu Boden, um so zu vermeiden, dass der Regen ihm in die Augen lief; er musste sehen, wo er ging, um Clara nicht gegen einen tiefhängenden Ast zu schlagen.
Plötzlich hörten sie ein lautes Geräusch.
»Der Wasserteufel!«, rief Clara aufgeregt, doch als Joe und Franziska auf den See schauten, sahen sie nichts als die kabbelige, vom Regen aufgepeitschte bleigraue Fläche.
»Wir haben ihn verpasst«, keuchte Franziska atemlos.
»Ja«, stieß Joe neben ihr hervor, selbst schon ganz außerAtem, obwohl er durchtrainiert war. Er trug ja nicht immer ein fünfjähriges Kind auf dem Rücken. »Aber …« Er verstummte abrupt.
Sie befanden sich fast direkt gegenüber dem Kloster, das am anderen Ufer, geduckt hinter seinem Gerüst, neben den moderneren Gebäuden stand. »Am Verbrannten« hieß die Gemarkung passenderweise.
Weiter durch den Wald bis zur »Alten Burg«, wo einst die Festung des Pfalzgrafen gestanden hatte. Die massive Halbinsel stellte die Ruine eines Basaltkegels dar, eines Vulkans, der noch älter war als die Laacher Caldera, seine seeseitige Hälfte hatte die damalige Explosion einfach fortgesprengt und weit nach oben in die Atmosphäre gerissen.
Sie ließen den Wald hinter sich und näherten sich dem letzten Drittel des Seerandes, der aus Feldern, Wegen, Wiesen und dem großen Besucherparkplatz bestand. Nur noch zwei Kilometer, und sie waren wieder beim Auto. Sie durchschritten eine breite Au, die großen Viehwiesen am Südufer des Sees, an Pappeln vorbei, die den Weg säumten und die hinter dem Regenvorhang nur noch graue Umrisse waren. Im Schilf im Flachwasser standen Schwertlilien, trieben Seerosenblüten. Der Regen drückte sie nieder. Ein Windstoß fuhr in den Riedgürtel, das Schilf raschelte und rauschte wie trockenes Papier.
Schon lag der Parkplatz wieder vor ihnen,
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