Die Lavendelschlacht
ganz allein wieder eingerenkt. Hätte, hätte, hätte ...
Aber mir fielen auch viele schöne Wäre-Sätze ein. Vielleicht wäre diese Affäre so schnell vorbeigegangen wie eine unangenehme, aber harmlose Sommergrippe. Vielleicht wäre Thomas niemals fremdgegangen, wenn ich mehr auf ihn eingegangen wäre.
Ich konnte wirklich nicht mehr ganz dicht sein! Typisch Frau! Total behämmert, dass ausgerechnet ich mir die Schuld für das Scheitern unserer Beziehung gab. Aber Schuld hin oder her, ich vermisste diesen Dreckskerl! Heiße Tränen schossen mir in die Augen.
Aber es war vorbei, Thomas liebte mich nicht mehr, er hatte jetzt eine andere. Schluss, aus, fertig.
Der Brautstrauß, der neben mir auf dem Schreibtisch lag, schien mich hämisch anzugrinsen. Ich öffnete die Schleusentore. Wasser, marsch, marsch! Endlich löste sich der Kloß, der mich schon den ganzen Tag gequält hatte, in Wohlgefallen auf.
Mein Make-up, inklusive der in der Werbung als wasserfest angepriesenen Wimperntusche – überall nur Lug und Trug! –, wurde in salzigen Sturzbächen davongespült und tropfte auf meinen Kragen. Gut, dass ich an diesem Morgen keine helle Bluse angezogen hatte, denn dem vollmundigen Werbeversprechen der Waschmittelhersteller vertraute ich genauso wenig.
Sieben
Bernd war mit meiner Arbeit hochzufrieden. »Na bitte, Annette, geht doch«, brummte er anerkennend und blätterte in einem druckfrischen Exemplar der Dezemberausgabe von Diabolo. »Warum nicht gleich so? Ich habe doch gewusst, dass du diesen Artikel hinkriegst.« Sprach’s und tätschelte mir väterlich die Schulter.
Wunderbar, meine kleine Satire hatte unserem Chefredakteur also gefallen. In Anbetracht seiner überaus glücklichen Reihenhausidylle konnte man es ihm nicht verübeln, dass er das Friede-Freude-Eierkuchen-Gesülze für bare Münze nahm. Aber Ausnahmen wie Bernd und seine Frau Annemarie bestätigten ja bekanntermaßen die Regel. Ich spürte in der Gegend, wo ich mein Herz vermutete, einen tiefen Stich. Eigentlich hatte ich immer angenommen, dass Thomas und ich eines Tages auch zu diesen Ausnahmen zählen würden.
Ich trug es mit Fassung, dass ich Samstag arbeiten musste, denn ich freute mich wie verrückt auf Sonntag. Die Mädels und ich hatten einen gemütlichen Zug über den Weihnachtsmarkt, der an diesem Wochenende seine Pforten öffnete, geplant. Normalerweise war ich ein begeisterter Weihnachtsfan, ich liebte die Adventszeit. Doch in diesem Jahr wusste ich mit Zimtsternen, Tannenzweigen, Engelchen und dem ganzen Brimborium absolut nichts anzufangen; bei Glühwein sah die Sache dagegen schon anders aus. Ein hochprozentiger Besuch auf dem Weihnachtsmarkt, fand ich, war die beste Gelegenheit, um auf andere Gedanken zu kommen.
Als es dann endlich so weit war, schwang ich mich Sonntagnachmittag vergnügt in meinen Fiesta. Ich würde den Wagen in der Stadt stehen lassen und mir für den Rückweg ein Taxi leisten.
Aber was sollte denn das jetzt? Außer einem wütenden Knurren gab mein sonst so zuverlässiges Auto nichts von sich. Schöner Mist! Ich versuchte nochmal ganz in Ruhe zu starten.
»Grrrr.«
O.k., zwecklos! Irgendwas in dem komplizierten Beziehungsdreieck zwischen Motor, Zündung und Fahrer schien gestört zu sein.
Schon leicht genervt, öffnete ich die Kühlerhaube und warf einen prüfenden Blick in den Motorraum. Ich wackelte an einem Kabel, rüttelte an dem Ding, von dem ich zumindest annahm, dass es der Verteiler war, und gab der Batterie einen aufmunternden Klaps. Schnell hatte ich mein fachkundiges Urteil gefällt: Alles sah aus wie immer. Dreckig und schmierig. Vielleicht hätte ich das Buch »So helfe ich mir selbst«, das mir mein Vater letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte, doch nicht als Stütze für den kippelnden Küchentisch zweckentfremden sollen. Diese Ignoranz rächte sich jetzt bitter.
Als ich noch mit mir rang, ob ich den schlauen Ratgeber von oben runterholen sollte – das Biest konnte es vom Umfang her mit dem ersten Buch Mose aufnehmen –, kam Herr Wünsch, unser Hausmeister, auf Pantoffeln aus dem Haus geschlappt. Den obligatorischen Werkzeugkoffer, sein Erkennungszeichen, trug er unter den Arm geklemmt. Ich konnte mir genau vorstellen, wie seine Frau mich von ihrem Beobachtungsposten am Küchenfenster erspäht hatte. »Walter, jetzt hilf doch mal dem Kind«, hatte sie bestimmt gesagt und den armen Walter aus seinem Fernsehsessel gescheucht.
Aber Herr Wünsch war wirklich eine Seele von Mensch.
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