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Die Lavendelschlacht

Die Lavendelschlacht

Titel: Die Lavendelschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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Vorratspackung Lebkuchen platzt; zum anderen – und das ist fast noch schlimmer – käme dann zwangsläufig die Frage auf, warum Linus nicht bei Thomas bleibt.«
    Mona stieß einen spitzen Schrei aus. »Du hast ihnen noch nichts von eurer Trennung gesagt? Annette, es sind immerhin deine Eltern. Sie fänden es sicher nicht so toll, wenn sie durch Zufall davon erfahren würden.«
    Nicht so toll finden? Das war stark untertrieben. Wahrscheinlich würden sie mir wochenlang Vorwürfe machen, dass ich sie nicht sofort über das tragische Dahinscheiden meiner Beziehung informiert hatte. Tapfer kämpfte ich gegen die aufsteigenden Schuldgefühle an. »Dieses Geständnis hebe ich mir für später auf; das kommt zurecht, wenn Thomas ausgezogen ist. Es wäre viel zu riskant, ihnen schon jetzt davon zu erzählen. Du kennst doch meine Eltern. Am Ende kommen sie noch auf die Idee, dass ihr Küken wieder bei ihnen unterschlüpfen könnte.« Obwohl ich insgeheim zugeben musste, dass der Gedanke an ein bisschen Nestwärme und eine warme Mahlzeit pro Tag durchaus etwas Verlockendes hatte.
    Nach einem kurzen Abstecher in die Redaktion, wo wir Linus in Fraukes Obhut zurückließen, kamen wir kurz vor knapp auf dem Kirchplatz an. Die letzten Meter vom Auto in die heiligen Gemäuer legten wir im Laufschritt zurück.
    Mit einem Seufzer der Erleichterung, dass wir es doch noch rechtzeitig geschafft hatten, ließen wir uns auf eine der harten Bänke plumpsen. Sorry, lieber Gott, aber bei diesen Sitzen ist es kein Wunder, dass du den Laden hier nicht voll bekommst, dachte ich und rieb mir mein schmerzendes Hinterteil.
    Kurz darauf brauste orkanartig die Orgel auf. Halleluja, jetzt wurde es ernst. Die ganze feierlich herausgeputzte Hochzeitsgesellschaft erhob sich. Standing Ovations. Zu dumm, wo ich es mir gerade mal so halbwegs gemütlich gemacht hatte.
    Erwartungsvolle Spannung lag in der Luft, wie im Theater, kurz bevor sich das erste Mal der Vorhang hebt. Alle verrenkten sich die Köpfe, um wenigstens einen kurzen Blick auf den Rocksaum der Braut zu erhaschen. Sah zwar ziemlich albern aus, aber auch ich konnte meine Neugierde nicht im Zaum halten und machte einen langen Hals.
    Dann ging plötzlich ein Raunen durch die Menge. Unwillkürlich raunte ich mit. Der Anblick war es wirklich wert, denn das, was da den Gang entlanggewatschelt kam, sah aus wie ein süßes, klebriges und schwer im Magen liegendes Marzipanröschen. Das lange weiße Kleid mit Puffärmeln war kein Sissi-Traum, sondern ein Sissi-Trauma! An allen möglichen und unmöglichen Stellen waren Rüschen und Schleifchen drapiert, und zu allem Überfluss war dieser Albtraum in Weiß auch noch tailliert, was auf höchst unvorteilhafte Weise die Rundung des Bäuchleins betonte. So oder so, die Braut hatte gesündigt. Entweder mit Pralinen oder mit vorehelichem Geschlechtsverkehr.
    Ich tippte auf Möglichkeit Nummer zwei und spürte auf einmal ein ganz und gar unchristliches Gefühl in mir aufsteigen: Neid. Brennenden, beißenden Neid. Diese Frau bekam mit einem Schlag beides: ein Kind und einen Ehemann. Im Gegensatz zu mir hatte sie nicht lange herumpalavert, sondern einfach Fakten geschaffen. Aber ob das die richtige Lösung war?
    Die ersten Fotoapparate und Taschentücher blitzten auf. Vor allem Letztere wurden möglichst unauffällig und diskret aus der Tasche gezogen. Was waren das doch alles für rührselige Schäfchen!, versuchte ich meine eigenen sentimentalen Anwandlungen in den Griff zu bekommen. Jetzt fehlte nur noch, dass Linda »Traumhochzeit« de Mol hinter einem Pfeiler hervorspringen und »Doll, ganz doll« rufen würde. Bestimmt ließe auch sie es sich nicht nehmen, ein paar Tränchen zu verdrücken. Ob aus Rührung oder aus Mitleid, war in diesem Fall schwer zu sagen. Der Bräutigam ging neben seiner Ehefrau in spe völlig unter. Alles an ihm war mittelmäßig: Er war mittelgroß, mittelschwer, hatte mittelblonde Haare und war, wie mir schien, auch nur mittelmäßig begeistert. Anstatt vor Glück aus jedem Knopfloch und jeder Körperöffnung zu strahlen, wirkte er eher wie ein Opferlamm, das zur Schlachtbank geführt wurde.
    Ich versuchte, mich auf die Worte des Pastors zu konzentrieren. Völlig wirr, was der da redete! Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er seine Ansprache ebenso gut auf Kisuaheli halten können. Verdammt, hämmerte es unaufhörlich in meinem Kopf, eigentlich sollten Thomas und ich da vorne stehen! Ob er, wenn er mich überhaupt jemals

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