Die Lavendelschlacht
geheiratet hätte, auch mit so einer sauertöpfischen Miene vor den Altar getreten wäre? Keine Ahnung – das würde ich wohl nie erfahren –, aber bei dem Kleid bestimmt!
Nach der Trauung hielten wir uns dezent im Hintergrund und sahen zu, wie ein Hochzeitsgast nach dem anderen dem frisch gebackenen Ehepaar gratulierte.
»Wahrscheinlich hat sie das Kind als Druckmittel benutzt«, flüsterte Mona mir zu. »Dem Bräutigam sollte man lieber kondolieren. Du bist goldrichtig angezogen.« Na bitte, wenigstens etwas!
Dann wurden alle ledigen Frauen wie eine Herde Vieh zum Brautstraußwerfen zusammengetrieben. Furchtbare Sitte! Alle, die noch keinen abgekriegt hatten, wurden öffentlich gebrandmarkt. Gut, dass wir beruflich hier waren und das Spektakel aus sicherer Entfernung beobachten konnten.
Das Marzipanröschen, das auf den Namen Lisa hörte, war eine schlechte, um nicht zu sagen lausige Werferin. Unter den enttäuschten Blicken ihrer Freundinnen pfefferte sie das Gebinde zwar rückwärts über die Schulter, nur leider in die komplett falsche Richtung.
Das Geschoss segelte durch die Luft und flog – na Mahlzeit! – geradewegs auf mich zu. Bloß weg hier! Und zwar ganz schnell! Jemand anders konnte dieses symbolträchtige Grünzeug todsicher besser brauchen als ich. Von Mona war auch keine große Hilfe zu erwarten, sie stand da wie angewurzelt. Hatte denn niemand Verwendung für dieses blöde Ding?
Ich war nun wirklich kein Experte in Sachen Hochzeitsbräuchen, aber ich erinnerte mich vage daran, dass es der Braut Unglück bringen sollte, wenn der Strauß auf den Boden fiel. Andererseits war dieses ganze Brimborium doch eh nichts als Humbug. Ich kämpfte mit einem schweren Gewissenskonflikt.
Die Blumen befanden sich im Landeanflug, nur noch wenige Zentimeter trennten sie vom Kopfsteinpflaster. Langsam wurde es eng. Ich spürte, dass alle Augen auf mich gerichtet waren. Toll, ich sollte jetzt also ausbaden, dass die blöde Kuh den Sportunterricht immer geschwänzt hatte.
»Na los!«, zischte Mona mir zu. Das gab den Ausschlag. Frauen mussten zusammenhalten. Im letzten Moment griff ich zu.
Wenn an dem Aberglauben, dass diejenige, die den Brautstrauß fängt, als Nächste heiratet, wirklich was dran sein sollte, dann konnten sich Lisas Freundinnen schon mal auf eine lange Wartezeit gefasst machen.
Mit dem lästigen Gebinde zwischen den Pfoten – pah, einfach lächerlich! – und einem nicht minder lästigen Kloß im Hals begann ich das Interview. Ich probierte, den Kloß hinunterzuwürgen. Ging nicht. Auch gut, dann eben mit Kloß.
Voller Enthusiasmus leierte ich die vorbereiteten Fragen herunter. Die Antworten waren keine allzu große Überraschung. Natürlich habe man nur aus Liebe geheiratet, der dicke Bauch seiner Freundin, äh, Frau, habe damit gar nichts zu tun, versicherte der Bräutigam. Auch dass er von nun an exakt 249 Euro und 10 Cent Steuern im Monat spare, interessiere ihn nicht die Bohne. Diese kleine Lüge ließ ich ihm durchgehen und verbuchte die 249 Euro und 10 Cent unter der Kategorie Schmerzensgeld. Und außerdem würden doch im Frühjahr alle heiraten, fügte das Marzipanröschen hinzu. Schließlich wolle man sich – das würde Bernd sicher gerne hören – von der breiten Masse abheben. Nun, in diesem Punkt konnte ich sie beruhigen: Das war ihr gelungen.
Nach der heiteren Fragerunde nahmen Mona und ich Reißaus. Wir brachten noch schnell den Termin beim Standesamt hinter uns, wo sich ein anderes Pärchen das Jawort gab. Als Mona endlich genug Fotos im Kasten hatte, brausten wir in die Redaktion zurück.
Ich setzte mich sofort an den Computer, um diese leidige Geschichte vom Tisch zu bekommen. Entgegen meinen Befürchtungen flossen, nein, purzelten die Worte förmlich aus mir heraus. Hach, das war doch wirklich ein Kinderspiel! In null Komma nichts war der Artikel fertig. Rasch machte ich einen Ausdruck und deponierte ihn auf Bernds Schreibtisch.
Auf dem Rückweg zu meinem Platz gesellte sich Josch zu mir. »Ich hab das von dir und Thomas gehört. Tut mir echt Leid für dich.« Wieder einmal bestätigte sich meine Theorie, dass sich Hiobsbotschaften viel schneller verbreiteten als gute Nachrichten. Das Stille-Post-Spiel hatte hervorragend funktioniert. Mona hatte es Bernd anvertraut, Bernd hatte es Josch erzählt und Josch vermutlich Mausi. Aber im Grunde war ich froh, dass jetzt alle Bescheid wussten. Früher oder später hätten sie es sowieso erfahren.
»Tja, offenbar war Thomas
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