Die Lavendelschlacht
winkte als Hauptpreis ein riesiger lila Teddybär mit einem roten Herzen auf der Brust. Schreck lass nach, wie geschmacklos! Gegen dieses lila Teddybärmonster war die Milka-Kuh direkt eine Schönheit! Mich schüttelte es. Zu allem Überfluss leuchtete das Herz – wohl dank einer nimmermüden Duracell – in regelmäßigen Abständen hell auf. Blink, blink, blink. Schon vom Zusehen wurde es einem ganz schwummerig. Dezent eingestreute Handwerkerstände kamen der alten Tradition des Weihnachtsmarkts etwas näher. Hier hatten die vom Glühwein benebelten Passanten die Möglichkeit, rechtzeitig für ihre Lieben das passende Weihnachtsgeschenk zu erstehen. Nach den zufriedenen Gesichtern des Standpersonals zu urteilen, wurde davon auch reichlich Gebrauch gemacht.
Vor einem mit Glaskugeln jeder Größenordnung dekorierten Häuschen, an dem mit zierlichen, geschwungenen Lettern das Wort »Glasgravur« prangte, blieben wir kurz stehen. Ich bekam mit, wie eine junge Frau auf einem Zettel, der aussah wie eine auf die Schnelle zusammengekritzelte Einkaufsliste, ihre Gravurwünsche niederschrieb. Neugierig linste ich ihr über die Schulter: Oma, Paul, Martha, Simone, Jessica, Karl, Susanne, Elfie .. .Die Liste schien nicht enden zu wollen. Da würde der ohnehin schon im Akkordtakt arbeitende Künstler heute wohl Überstunden machen müssen.
Wirklich praktisch! Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt, und alle Geschenkeprobleme lösten sich in Wohlgefallen auf. Allerdings fragte ich mich insgeheim, ob Paul, Martha, Simone, Jessica, Karl, Susanne und Elfie vor Freude über ein Saftglas mit Namensgravur Luftsprünge machen würden.
Besonders in Omas Fall war das meiner Meinung nach eine äußerst heikle Angelegenheit. Alle Familienmitglieder würden am Heiligabend ihren mehr oder weniger schönen Vornamen auf dem (mit viel Zeit und Liebe) ausgesuchten Saftglas bewundern. Nur Oma blieb ganz einfach Oma. Also, mir an Omas Stelle würde das gewaltig gegen den Strich gehen! Gerade überlegte ich, ob ich die junge Frau auf ihren Fauxpas aufmerksam machen sollte, als Frauke mich zum nächsten Stand schleifte.
Nachdem wir uns den Bauch mit gebrannten Mandeln, Räuberfleisch, Folienkartoffeln sowie diversen anderen Kalorienbomben voll geschlagen hatten und kaum mehr papp sagen konnten, rollten wir zielsicher zum Glühweinstand.
Bisher war für mich als unbedarften Laien Glühwein ganz einfach Glühwein gewesen. Hier wurde ich jedoch – wie viele andere wissbegierige Weihnachtsmarktbesucher auch – eines Besseren belehrt. Es gab zahlreiche, interessant klingende Geschmacksrichtungen: Mandel, Kirsche, Schlehe, Johannisbeere und so weiter. Um herauszufinden, welche Sorte die leckerste war, blieb einem nichts anderes übrig, als sich durch die ganze Angebotspalette hindurchzuschlürfen. Nichts lieber als das!
Der Frust über mein lädiertes Auto musste runtergespült werden. Ich trank einen Becher auf die verrosteten Zündkerzen, einen auf den gerissenen Keilriemen, einen auf den verstopften Luftfilter – wie gesagt, in so einem kleinen Auto ist erstaunlich viel Platz. In meinem Bauch übrigens auch.
Leider zeigte der Alkohol heute jedoch nicht die gewünschte Wirkung. Statt einer Scheißegal-Stimmung ergriff die Mach-den-Mistkerl-alle-Stimmung mit Vehemenz von mir Besitz. Spätestens nach der zweiten Runde Kirschglühwein war ich kaum mehr zu bremsen. Das heiße Gebräu breitete sich wie ein glühender Lavastrom in meinem Körper aus, und ich fühlte mich wie ein Vulkan, in dessen Innerem es heftig brodelte und zischte. Es bedurfte keiner besonderen geologischen Kenntnisse, um vorherzusagen, dass »Annette« in Kürze ausbrechen würde.
Selbst die stimmungsvolle musikalische Hintergrundberieselung des Weihnachtsmarkts konnte meine Rachegelüste nicht bremsen. Ganz im Gegenteil!
»O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Christ ist erschienen, uns zu versühnen«, tönte es leicht blechern aus dem Lautsprecher.
Reim dich, oder ich fress dich!
Altes Liedgut gut und schön, aber erstens heißt das »versöhnen«, und zweitens hatte ich damit im Moment nicht das Geringste am Hut. Denn nach nichts stand mir weniger der Sinn als nach » Friede« und »Vergebung«. Von phantasievollen Foltermethoden bis zum kaltblütigen Mord, jedes Mittel war mir recht, um Thomas aus der Wohnung und aus meinem Leben zu eliminieren.
Während ich über die Vorzüge der Vierteilung fachsimpelte, hörte ich meine Freundinnen miteinander
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