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Die Lavendelschlacht

Die Lavendelschlacht

Titel: Die Lavendelschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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der falsche Deckel«, versuchte ich mit einem schiefen Grinsen zu flachsen.
    »Hä??«
    »Angeblich passt doch auf jeden Topf ein Deckel. Oder glaubst du, ich bin eine Bratpfanne?«
    Erstaunlicherweise ging Josch, der sonst immer für jeden Spaß zu haben war, nicht auf meinen leichten Ton ein. Er sah mich ernst an. »Wenn er nicht zu schätzen weiß, was er an dir hat, dann schick ihn in die Wüste. Vergiss ihn! Du hast eindeutig was Besseres verdient.« Er begann zu grinsen. »Andere Mütter haben nämlich auch schöne Söhne. – Meine übrigens auch.« Wieder kam das niedliche kleine Grübchen auf seiner rechten Wange zum Vorschein. »Was ich dir eigentlich nur sagen wollte: Du kannst jederzeit auf mich zählen. Ich halte alles für dich offen, die Ohren, die Arme, meine Wohnungstür, was du willst.«
    »Danke, Josch.« Er war wirklich süß. Aus einem spontanen Impuls heraus drückte ich ihm einen dicken Schmatzer auf die Backe.
    Das Grinsen wurde immer breiter. »Hmmm, mehr davon! Bekomme ich jetzt, wo der Häuslebauer aus dem Rennen ist, doch noch eine Chance bei dir?«
    »Mal sehen, vielleicht wenn du mir von irgendwoher was Süßes organisierst«, witzelte ich. Meine Nerven gierten nach Schokolade. Die braune, zart schmelzende Masse war der beste Stimmungsaufheller, den ich kannte. Und sie hatte im Vergleich zu Männern einen entscheidenden Vorteil: Sie machte immer glücklich und nicht nur dann, wenn es ihr gerade zufällig mal in den Kram passte.
    Keine zwei Minuten später biss ich herzhaft in ein Mars. Hatte Josch sich meine Schwäche für den mobilen Schokoriegel gemerkt, oder war das Zufall? Bei Gelegenheit würde ich mich bei ihm für diese nette Geste revanchieren, beschloss ich, während ich mit Heißhunger die letzten süßen Krümel verputzte. Aber irgendwie fühlte ich mich bei meiner kleinen Fressorgie beobachtet.
    Big brother is watching you. O nein, der Chef höchstpersönlich. Seinem Gesicht nach zu urteilen, musste ihm eine ganze Läusekompanie über die Leber getrippelt sein.
    »Annette, was ist das?« Bernd hielt mir meinen Artikel unter die Nase. Tz, tz, tz, diese verdammte männliche Eitelkeit. Er sollte sich langsam mal eine Brille zulegen.
    »Die Hochzeitsstory.«
    »Das sehe ich auch.«
    Dann brauchte er mich ja nicht zu fragen!
    Bernd wedelte aufgebracht mit dem Papier in der Luft herum. »Aber verglichen mit dem hier, liest sich Fredos Drogengeschichte wie eine heitere Bettlektüre. Was soll denn dieser Quatsch von wegen Scheidungsrate, Steuersplitting, Fremdgehen und das ganze Zeug?« Er schraubte seine Lautstärke zwei Stufen zurück und schaute mich um Verständnis heischend an. »Annette, nun sieh das doch ein. Was du da geschrieben hast, mag ja in gewisser Hinsicht sogar stimmen, aber trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – will es kein Mensch lesen. Zumindest nicht so kurz vor Weihnachten. Da bekommt man ja Depressionen.« Nachdrücklich schüttelte er den Kopf. »So Leid es mir tut, den musst du nochmal komplett neu schreiben.«
    Toll, auch noch Nachsitzen!
    Jetzt fühlte ich mich bei meiner Berufsehre gepackt. Bernd wollte mehr Schmalz? Kein Problem, ich würde den Artikel so schleimig schreiben, dass ihm beim Lesen das Papier aus den Fingern rutschen würde.
    Ich legte mich richtig ins Zeug und schwelgte in schwülstigen, romantischen Phrasen. In guten wie in schlechten Zeiten. (Pah, ich kannte ein männliches Wesen, das bescherte mir daheim gerade die schlechten.) Bis dass der Tod euch scheidet. (Das vielleicht schon eher. Der Tod musste ja nicht unbedingt auf natürlichem Wege eintreten.) Meine Finger flogen über die Tastatur. Ich trug so dick auf, dass der Artikel ebenso gut in einem Satiremagazin hätte erscheinen können.
    Als ich den letzten Satz formuliert hatte – Bernd würde begeistert sein, das Wort Herz kam gleich zweimal darin vor –, schaute ich überrascht von meinem Bildschirm auf. Es war ungewöhnlich still in der Redaktion. Kein Wunder, alle außer mir hatten bereits ihren wohlverdienten Feierabend angetreten.
    Ganz in Ruhe las ich den Artikel noch einmal von vorne bis hinten durch, fügte hier ein Wort hinzu, merzte dort einen Rechtschreibfehler aus.
    Bei so viel Liebesgesäusel wurde es mir ganz schwummerig. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus.
    Vielleicht hätte ich Thomas wirklich mehr Zeit lassen müssen, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Vielleicht hätte ich ihn nicht so unter Druck setzen dürfen. Vielleicht hätte sich alles von

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