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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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ihr noch einmal aufmunternd zu, dann schob er die Tür von außen ins Schloss.
    Eve schaute sich um. Die Kerzenflamme erhellte das Erdgeschoss gerade soweit, dass sie ein paar Truhen, zwei große Holzregale voll mit alten Büchern, ein vergittertes Fenster und die wirklich sehr antik erscheinende Treppe sehen konnte. Sie war froh, dass sie Turnschuhe trug und keine Heels, und machte sich an den Aufstieg zu Arthur Feldmanns selbst erwählter Klause.

9
    Eve war nur leicht außer Atem, nachdem sie die vierundsechzig Stufen des Turms hinter sich gebracht hatte. Sie mochte nicht die Richtige sein für Feldforschung und Arbeit außerhalb ihres Büros, aber sie wusste als Medizinerin nur zu gut, wie wichtig tägliche Bewegung für den Körper war, und hielt sich mit einer Stunde Sport pro Tag fit. Am Ende der Treppe gab es nur eine Tür. Von dahinter duftete es einladend nach frisch gebrühtem Tee mit Bergamotte-Aroma.
    Eve klopfte, und gleich darauf hörte sie Schritte auf den Holzdielen.
    Der Mann, der ihr öffnete, war etwa einen Kopf größer als sie und trug wie Bruder John eine weite Benediktinerkutte, hatte jedoch die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sie fand das eher merkwürdig, zumal er sich in seinen privaten vier Wänden aufhielt. Aber sie war ja gewarnt worden. Sie konnte unter der Kapuze gerade noch seine Kinnpartie mit seinen Lippen ausmachen, und die lächelten freundlich.
    »Doktor Sinclair, nehme ich an.« Seine Stimme war tief und klang, als hätte er in letzter Zeit wenig Gebrauch davon gemacht.
    Sie lächelte und hielt ihm die Hand hin. »Guten Abend, Mister Feldmann.«
    »O bitte, nennen Sie mich Arthur.« Er schüttelte ihr die Hand und trat dann beiseite, um sie einzulassen. »Und nehmen Sie doch bitte Platz. Eine Tasse Earl Grey?«
    »Ja, gern. Das ist sehr freundlich.«
    Das von wenigen Kerzen beleuchtete Zimmer war geräumig und spärlich, aber nicht unkomfortabel eingerichtet. Unter dem Fenster, durch das Eve bei ihrer Ankunft das Licht gesehen hatte, stand ein großer, grob gearbeiteter Schreibtisch mit einem bequemen Armlehnstuhl. Er kam ihr seltsam aufgeräumt vor, und sie vermutete, dass das, was sich bis vor kurzem noch darauf befunden hatte, nun in dem Stapel darunter lag, der wiederum sorgsam mit einer Wolldecke zugedeckt worden war. Wollte Arthur Feldmann seinem Besuch verheimlichen, woran er gerade arbeitete oder wofür er sich interessierte? Nun, vielleicht handelte es sich ja auch nur um Männermagazine.
    Links neben dem Schreibtisch stand ein einfaches Bett, in der Ecke gegenüber ein großer Ledersessel direkt neben einem gusseisernen Bollerofen, auf dessen Auskühlgitter der noch dampfende Wasserkessel abgestellt war. Zudem gab es zwei Schränke und den Tisch in der Mitte, auf dem eine an mehreren Stellen angeschlagene Teekanne auf einem Stövchen stand. Daneben waren zwei Tassen, Schalen mit Kandiszucker und normalem und ein Porzellankännchen mit Milch abgestellt.
    Eve nahm auf einem der beiden Stühle am Tisch Platz und bemerkte erst da ein etwa zwei mal ein Meter großes Gemälde links von der Tür. Es kam ihr bekannt vor, aber sie konnte es nicht zuordnen.
    »Peccato originale e cacciata dal Paradiso Terrestre«, sagte Arthur, der ihren Blick bemerkt hatte, und schenkte dabei Tee in die beiden Tassen. »›Der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies‹ von Michelangelo.«
    »Es ist wunderschön«, sagte Eve, um die Atmosphäre ein wenig vertraulicher zu gestalten. Schließlich war sie gekommen, um mit einem ihr völlig Fremden über dessen toten Vater zu sprechen.
    »Ja, das ist es«, stimmte Arthur ihr zu. »Es freut mich, dass es Ihnen gefällt. Das Original ist ein Wandgemälde in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan; abgesehen von der wundervollen Ausarbeitung deshalb so bemerkenswert, weil es zwei zeitlich auseinanderliegende Ereignisse auf einmal zeigt.«
    Eve gab sich interessiert, obwohl sie es nicht war. Sie war im Allgemeinen kein Fan von Small Talk und beherrschte ihn auch nicht besonders, aber sie wusste, dass sich Menschen am schnellsten öffneten, wenn man sie über ihre Interessen sprechen ließ. Und da Arthur bereits damit angefangen hatte, ließ sie ihn reden.
    »Ja«, fuhr er fort, »zwei Ereignisse: links Adam und Eva beim Sündenfall, wie sie von Luzifer verführt werden, der halb als Mensch, halb als Schlange, die sich um den Baumstamm in der Mitte windet, dargestellt wird; und rechts von dem Baum der Engel mit dem Schwert, der Seraph, wie er sie

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