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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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solche Gruselgeschichten entstanden.
    Das Sportfahrwerk des Audi nahm die Schlaglöcher und Bodenwellen in dem unasphaltierten Waldweg mit stoischem Zorn, und die weibliche Stimme aus dem Navigationssystem informierte gerade: »Sie verlassen das erfasste Gebiet.« Eve schaltete es aus. Sie wusste nach einem Blick auf die Karten, dass der schmale Weg direkt zum Kloster führte, sodass sie es nicht verfehlen konnte.
    Sie musste sich zwingen, in ihrer Nervosität die Finger nicht zu fest um das Lenkrad zu krallen, um flexibler auf die Unebenheiten des Bodens reagieren zu können. Ja, sie war nervös. Aber nicht genug, um ihre gerade begonnene Suche wieder abzubrechen.
    Das Dumme an ängstlichen Menschen wie Anne ist , dachte sie, dass sie immer einen Teil ihrer Angst auf andere übertragen . Sie müssen ihre Angst teilen, damit sie sich in der eigenen nicht so allein und verlassen fühlen . So entstehen Gruselgeschichten .
    Natürlich war da die Tatsache, dass jeder der Wissenschaftler, der in den vergangenen sechzig Jahren über die Unsterblichkeit der Eibe geforscht hatte und über die Möglichkeit, deren einzigartigen Stoffwechsel auf den Menschen zu übertragen, bei einem Laborbrand ums Leben gekommen war. Eve wusste auch, dass Forscher auch Jahrhunderte nach der Inquisition sehr viel häufiger, als man glauben mochte, für ihre Entdeckungen und Erfindungen zum Schweigen gebracht wurden, durch Bestechungen, Erpressungen oder Drohungen und hin und wieder auch durch Mord. War das in diesem Fall auch geschehen?
    Für einige Konzerne stand zu viel auf dem Spiel, wenn jemand etwas entdeckte, das ihre Produkte von heute auf morgen überflüssig machte. Eve selbst war noch nie bedroht oder erpresst worden, aber man hatte schon zweimal versucht, sie zu bestechen. Das letzte Mal, als bekannt geworden war, dass sie nach einem Mittel gegen Krebs forschte und dabei große Fortschritte machte. Nicht weniger als fünf internationale Pharmakonzerne hatten ihr innerhalb von nur achtundvierzig Stunden nach der Veröffentlichung eines Artikels zu ihrer Arbeit Jobs in ihren eigenen Forschungslabors angeboten – im niedrigsten der Angebote für das Vierfache, das sie verdiente.
    Eve hatte abgelehnt. Ihre Arbeit an der Universität von Oxford garantierte, dass die Ergebnisse ihrer Forschungen der ganzen Welt zugutekamen und nicht nur einer einzelnen Firma, die aus dem dann hergestellten Medikament unverhältnismäßig hohen Gewinn schlug.
    Inhaber und Aktionäre von Firmen, die Menschen mit zu geringem Einkommen lieber sterben ließen als auf ein explosionsartiges Wachstum ihrer Rendite zu verzichten, waren leider eher die Regel als die Ausnahme. In Eves Augen war das bereits Tötung durch unterlassene Hilfeleistung, wenn nicht sogar Mord. Sie war überzeugt, dass es von dieser Einstellung aus nur noch ein kleiner Schritt dahin war, Menschen tatsächlich zu ermorden, um Umsatzeinbrüche oder Gewinnrückgänge zu verhindern. Und ewiges Leben bei fortwährend guter Gesundheit wäre eine Katastrophe für die Pharmaindustrie.
    Aber eine Mordserie, die sich, Cawley mitgerechnet, über sechzig Jahre erstreckt ? Mehr als unwahrscheinlich .
    Etwas riss Eve aus ihren Gedanken, und ihr Gehirn brauchte eine Millisekunde, um zu analysieren, was es war.
    Der rechte Rand ihrer Scheinwerfer hatte zwei glühende Augen erfasst.
    Als sie das erkannte, erschrak sie erst richtig und hätte beinahe das Steuer verrissen. Doch es war nur ein Reh zwischen den uralten Bäumen. Sie atmete tief und lange aus, um ihren Herzschlag zu beruhigen und das durch den Schreck frisch in ihren Blutkreislauf geschossene Adrenalin wieder abzubauen, ehe es sie noch nervöser machte. Sie war ein Labormensch. Abenteuer außerhalb der Mauern der Universität oder ihres Heimbüros waren einfach nicht ihr Ding.
    Ihre Finger zitterten, und sie registrierte, dass das Adrenalin ihr Gesichtsfeld erweitert und ihr Gehör empfindlicher gemacht hatte. Sie ging vom Gas und überlegte kurz, ob sie anhalten sollte, um ein wenig zu entspannen, entschied sich aber dagegen. Der dichte Wald um sie herum kam ihr durch ihre erhöhte Wachsamkeit noch bedrohlicher vor.
    Plötzlich erschrak sie erneut.
    Hatte sie da gerade Scheinwerferlicht in ihrem Rückspiegel gesehen? Sie sah noch einmal hin. Nichts.
    Ihr Verstand sagte ihr, dass es ziemlich unwahrscheinlich war, dass um diese Uhrzeit noch jemand außer ihr auf diesem Weg unterwegs war, ihre Instinkte aber zwangen sie, wieder und wieder in den

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