Die Lazarus-Vendetta
Parikh deutete auf einen weiteren hochauflösenden Monitor von der Größe eines Großbildfernsehers. Auf ihm war ein doppelwandiger Glasbehälter zu sehen, der auf einem Labortisch in einem angrenzenden Reinraum stand. »Genau das wollen wir herausfinden, Colonel. Wir arbeiten seit sechsunddreißig Stunden fast ohne Pause, um genügend der neu konstruierten Nanophagen für den Versuch zu produzieren.«
Smith nickte. Nanomaschinen wurden nicht einzeln mit mikroskopisch kleinen Pinzetten und winzigen Tropfen von subatomaren Klebstoff gebaut. Sie wurden mit Hilfe von biochemischen und enzymatischen Prozessen, die mittels pHWert, Temperatur und Druck exakt kontrolliert werden konnten, zu hunderten von Millionen oder sogar Milliarden produziert. Verschiedene Elemente wuchsen in unterschiedlichen chemischen Lösungen unter unterschiedlichen Bedingungen. Man begann in einem Tank, in dem die Grundstruktur hergestellt wurde, wusch die überschüssige Lösung fort und transportierte dann die Nanomaterialien in ein neues chemisches Bad, in dem der nächste Teil der Konstruktion wuchs. Dies erforderte eine ständige Überwachung der Prozesse und absolut präzise zeitliche Berechnung.
Die drei Männer beugten sich näher über den Monitor. Ein Dutzend weiße Mäuse bevölkerten den durchsichtigen doppelwandigen Behälter. Die Hälfte der Mäuse wirkte lethargisch und war von künstlich im Labor induzierten Geschwüren und Krebstumoren übersät. Die anderen sechs, eine gesunde Kontrollgruppe, liefen quicklebendig hin und her und suchten nach einem Ausgang. Jede Maus trug ein farbiges Schildchen mit einer Nummer. Videokameras sowie verschiedene diverse Messfühler umstanden den Glasbehälter, bereit, jedes Ereignis und jede Veränderung aufzuzeichnen, sobald das Experiment gestartet wurde.
Brinker deutete auf einen kleinen Metallkanister, der an einer Seite des Versuchsbehälters angebracht war. »Da sind sie drin, Jon. Fünfzig Millionen einsatzbereite Nanophagen vom Typ Mark Two – plus oder minus fünf Millionen.« Er wandte sich an einen der Labortechniker. »Haben unsere kleinen pelzigen Freunde ihre Impfung bekommen, Mike?«
Der Techniker nickte. »Selbstverständlich, Dr. Brinker. Ich hab es vor zehn Minuten selber erledigt. Ein kräftiger Pikser für jede von ihnen.«
»Die Nanophagen werden inert«, erklärte Brinker. »Ihre interne ATP-Energieproduktionseinheit reicht nur eine begrenzte Zeit, deshalb überziehen wir diesen Abschnitt mit einer Schutzhülle.«
Smith wusste, aus welchem Grund dies gemacht wurde. ATP, Adenosintriphosphat, war ein Molekül, das für die meisten metabolischen Prozesse im Körper Energie zur Verfügung stellte. Doch das ATP begann seine Energie freizusetzen, sobald es in Kontakt mit Flüssigkeit kam. Und alle Lebewesen bestanden zum größten Teil aus Wasser. »Die Injektion ist also so was wie ein Startschuss?«, erkundigte er sich.
»Richtig«, nickte Brinker. »Wir injizieren ein spezifisches chemisches Signal in jedes Versuchsobjekt. Sobald ein passiver Sensor auf dem Nanophagen dieses Signal empfängt, öffnet sich die Schutzhülle und die umgebende Flüssigkeit aktiviert das ATP. Unsere kleinen Maschinen erwachen und machen sich auf die Jagd.«
»Dann fungiert Ihre Schutzhülle also auch als eine Fehlfunktionssicherung«, bemerkte Smith. »Für den Fall, dass Exemplare der Mark Two irgendwo auftauchen, wo sie nicht sein sollten – wie zum Beispiel in einem von Ihnen beiden.«
»Genau«, nickte Brinker. »Ohne chemisches Signal keine Aktivierung der Nanophagen.«
Parikh war sich dessen nicht so sicher.
»Es besteht ein kleines Risiko«, warnte der kleinere der beiden Molekularbiologen. »Es gibt immer eine gewisse Fehlerquote beim Herstellungsprozess der Nanophagen.«
»Was zur Folge hat, dass sich die Hülle manchmal nicht so bildet, wie sie sollte? Oder der Sensor empfängt das Signal nicht, oder er ist so programmiert, dass er das falsche Signal empfängt? Oder Sie befrachten die Hüllen Ihrer Phagen mit den falschen biochemischen Substanzen?«
»Dinge dieser Art«, erwiderte Brinker. »Aber der Fehleranteil ist sehr gering. Lächerlich gering. Er liegt fast bei null.« Er zuckte mit den Schultern. »Außerdem sind diese Maschinen programmiert, Krebszellen und gefährliche Bakterien zu töten. Was macht das schon aus, wenn ein paar fehlgesteuerte Exemplare ein paar Minuten in den falschen Zielzellen umherwandern?«
Smith wölbte skeptisch die Augenbrauen. Meinte Brinker das im Ernst?
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