Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche
Darzu hielten sie mich für viel zu ehrlich, weil ich mich bei meinem vorigen Mann gehalten, daß mich männiglich für ehrlicher hielt, als ich gewesen.
Gleichwie mir aber mit einer langwierigen Fasten wenig gedienet war, also hatte sich hingegen derjenige Musquetier, so mir in der Occasion, die ich mit obengedachten beiden Reutern gehabt, zu Hülfe kommen, dergestalt an mir vergafft und vernarret, daß er Tag und Nacht keine Ruhe hatte, sondern mir manchen Trab schenkte, wann er nur Zeit haben und abkommen konnte. Ich sah wohl, was mit ihm umging und wo ihn der Schuch druckte; weil er aber die Courage nicht hatte, sein Anliegen der Courasche zu entdecken, war bei mir die Verachtung so groß als das Mitleiden. Doch änderte ich nach und nach meinen stolzen Sinn, der anfangs nur gedachte, eine Officiererin zu sein; denn als ich des Marquetenters Gewerb und Hantierung betrachtete und täglich vor Augen sah, was ihm immerzu für Gewinn zuging, und daß hingegen mancher brave Officier mit dem Schmalhansen Tafel halten mußte, fing ich an darauf zu gedenken, wie ich auch eine solche Marquetenterei aufrichten und ins Werk stellen möchte. Ich machte den Überschlag mit meinem bei mir habenden Vermögen und fande solches, weil ich noch eine ziemliche Quantität Goldstücker in meiner Brust vernähet wußte, gar wohl bastant zu sein. Nur die Ehr oder Schand lag mir noch im Weg, daß ich nämlich aus einer Hauptmännin eine Marquetenterin werden sollte. Als ich mich aber erinnerte, daß ich damals keine mehr war, auch wohl vielleicht keine mehr werden würde, siehe, da war der Würfel schon geworfen, und ich fing bereits an, in meinem Sinn Wein und Bier um doppelt Geld auszuzapfen und ärger zu schinden und zu schachern, als ein Jud von 50 oder 60 Jahren tun mag.
Eben um diese Zeit, als wir nämlich mit unserem dreifachen kaiserlichen Heer über die Alpen oder das hohe Gebürg nach Italiam gelangt, war es mit meines Galanen Liebe aufs höchste kommen, ohne daß er noch das geringste Wort darvon mit mir gesprochen. Er kam einsmals unter dem Vorwand, ein Maß Wein zu trinken, zu meines Marquetenters Zelt und sah so bleich und trostlos aus, als wann er kürzlich ein Kind bekommen und keinen Vatter, Mehl noch Milch darzu gehabt oder gewüßt hätte. Seine traurigen Blick und seine sehnlichen Seufzer waren seine beste Sprach, die er mit mir redet; und da ich ihn um sein Anliegen fragte, erkühnete er gleichwohl also zu antworten: »Ach, meine allerliebste Frau Hauptmännin (dann Courasche dorfte er mich nicht nennen), wann ich ihr mein Anliegen erzählen sollte, so würde ich sie entweder erzörnen, daß sie mir ihre holdselige Gegenwart gleich wieder entzuckt und mich in Ewigkeit ihres Anschauens nicht mehr würdigt; oder ich würde einen Verweis meines Frevels von ihr empfangen, deren eins von diesen beiden genugsam wäre, mich dem Tod vollends aufzuopfern.«
Und darauf schwieg er wieder stockstill. Ich antwortet: »Wann euch deren eins kann umbringen, so kann euch auch ein jedes davon erquicken. Und weil ich euch dessentwegen verbunden bin, daß ihr mich, als wir in den Vierlanden zwischen Hamburg und Lübeck lagen, von meinen Ehrenschändern errettet, so gönne ich euch herzlich gern, daß ihr euch gesund und satt an mir sehen möget.« »Ach, mein hochgeehrte Frau,« antwortet er, »es befindet sich hierin ganz das Widerspiel; denn da ich sie damals das erstemal ansah, fing auch meine Krankheit an, welche mir aber den Tod bringen wird, wann ich sie nicht mehr sehen sollte, ein wunderbarlicher und seltsamer Zustand, der mir zum Recompens widerfahren, dieweil ich mein hochzuehrende Frau aus ihrer Gefährlichkeit errettete.«
Ich sagte, so müßte ich einer großen Untreu zu beschuldigen sein, wann ich dergestalt Gutes mit Bösem vergolten hätte. »Das sag ich nicht,« antwortet mein Musquetierer. Ich replicirte: »Was habt ihr dann zu klagen?« – »Über mich, über meine Unglückseligkeit,« antwortet er, »und über meine Verhängnus oder vielleicht über meinen Vorwitz, über meine Einbildung oder ich weiß selbst nicht über was. Ich kann nicht sagen, daß die Frau Hauptmännin undankbar sei, denn um der geringen Mühe willen, die ich anlegte, als ich den noch lebenden Reuter verjagte, der ihrer Ehr zusetzte, bezahlte mich dessen Verlassenschaft genugsam, welchen meine hochzuehrende Frau zuvor des Lebens hochrühmlich beraubte, damit er sie ihrer Ehr nicht schändlich berauben sollte. Meine Frau Gebieterin,« sagte
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