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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Bayeux zu erlangen?«
    Frau Cuche, die elende Verlassene, die sich allen Männern für drei Sous oder einen Speckrest in den Löchern des Strandes hingab, hatte sich im Juli ein Bein gebrochen; sie blieb davon verunstaltet, hinkte entsetzlich, ohne daß indessen ihre abstoßende Häßlichkeit, durch dieses Leiden erhöht, sie etwas von ihrer gewohnten Kundschaft einbüßen ließ.
    »Ja, ich habe es ihr gesagt«, antwortete der Knabe mit heiterer Stimme. »Sie will nicht.«
    Er war kräftig geworden und hatte das siebenzehnte Jahr erreicht. Aufrecht, stehend, mit den Händen schlenkernd, wiegte er sich linkisch hin und her.
    »Was! Sie will nicht!« rief Lazare. »Und du nicht minder, du willst auch nicht, denn ich hatte dir gesagt, du solltest in dieser Woche im Gemüsegarten aushelfen, und ich erwarte dich noch.«
    Er wiegte sich noch immer. »Ich habe keine Zeit gehabt.«
    Als Pauline bemerkte, daß ihr Vetter erregt wurde, legte sie sich ins Mittel.
    »Setze dich, wir werden gleich darüber sprechen. Überlege dir die Sache besser, sonst werde ich ebenfalls böse.«
    Die kleine Gonin war jetzt an der Reihe. Sie zählte dreizehn Jahre und hatte sich ein rosiges Gesicht unter dem dichten Wulst ihrer blonden Haare bewahrt. Ohne gefragt zu sein, erzählte sie rohe Einzelheiten mit einer Flut geschwätziger Worte, daß ihrem Vater die Lähmung in die Arme und Zunge gefahren sei, und er nur noch ein Grunzen wie ein Tier ausstoßen könnte. Sein Vetter Cuche, der ehemalige Matrose, der ihm die Frau abspenstig gemacht habe, um sich an ihrem Tische und in ihrem Bette einzunisten, habe sich an demselben Morgen auf den Alten geworfen, um ihm den Garaus zu machen.
    »Mutter prügelt auch auf ihm herum. Des Nachts steht sie im Hemde mit dem Vetter auf und leert Töpfe kalten Wassers über Vater aus, weil er so laut flennt, das stört sie... Wenn Sie sähen, wie sie ihn zugerichtet haben, er ist ganz nackt, Fräulein, er hat Wäsche nötig, denn er liegt sich durch.«
    »Es ist gut, schweige!« unterbrach sie Lazare, während Pauline, mitleidig gestimmt, ein paar Bettücher holen ließ.
    Er fand sie für ihr Alter viel zu durchtrieben. Obgleich sie manchmal Ohrfeigen zu kosten bekam, fiel sie nach seiner Meinung manchmal selbst über ihren Vater her; ohne zu rechnen, daß alles, was man ihr an Geld, Fleisch und Wäsche gab, statt an den Kranken zu gelangen, den Schmausereien des Weibes und des Vetters diente. Er fragte sie kurz:
    »Was machtest du denn vorgestern in Houtelards Barke mit einem Manne, der das Weite suchte?« Sie lachte naseweis.
    »Das war kein Mann, das war der da«, antwortete sie mit dem Kinn eine Bewegung nach dem Sohne der Guche machend... »Er hatte mich von rückwärts gestoßen...«
    Er unterbrach sie von neuem.
    »Ja, ja, ich habe es wohl gesehen, du hattest deine Lumpen über dem Kopfe. Mit dreizehn Jahren, das fängt früh an.«
    Pauline hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt, denn alle anderen Kinder, selbst die jüngsten, blickten mit lachenden Augen auf, in denen schon frühzeitige Laster flammten. Wie die Fäulnis in diesem Haufen aufhalten, in dem Weiber, Männer und deren Kinder verdarben? Als Pauline der Kleinen ein paar Bettücher und einen Liter Wein gegeben hatte, sprach sie einen Augenblick leise mit ihr, sie versuchte ihr Furcht vor den Folgen dieser ekelhaften Dinge einzuflößen, die sie krank und häßlich machen würden, bevor sie noch zum Weibe gereift sei. Das war die einzige Möglichkeit sie in Schranken zu halten.
    Um die Austeilung zu beschleunigen, hatte Lazare, den sie auf die Länge abstieß und ärgerte, die Tochter des Prouane zu sich gerufen:
    »Deine Eltern haben sich gestern abend wieder betrunken... Man hat mir gesagt, du seist noch berauschter als sie gewesen.«
    »O nein, Herr, ich hatte Kopfschmerzen.«
    Er stellte einen Teller mit rohen Fleischklößen vor sie hin.
    »Iß das.«
    Sie war von neuem von den Skrofeln verheert, nervöse Störungen hatten sich in der kritischen Zeit der Mannbarkeit eingestellt. Die Trunksucht verdoppelte das Leiden, denn sie hatte angefangen, mit den Eltern gemeinsam zu trinken. Nachdem sie drei Klöße verschlungen, machte sie mit trotzigem Gesicht eine Bewegung des Widerwillens.
    »Ich habe genug, ich kann nicht mehr.«
    Pauline hatte eine Flasche ergriffen und sagte:
    »Es ist gut, wenn du dein Fleisch nicht issest, bekommst du auch dein Gläschen Chinawein nicht.«
    Da überwand das Kind, die glänzenden Augen auf das volle Glas

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