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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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seine Kraft.
    Pauline wollte indes im Stolze ihrer Selbstverleugnung siegen. Sie kannte das Leiden, sie versuchte Lazare den Mut wiederzugeben, indem sie ihm Liebe zum Leben einflößte. Ihre Güte aber erlitt dabei einen beständigen Mißerfolg. Zuerst hatte sie beabsichtigt, ihn offen anzugreifen; sie begann mit ihren alten Neckereien über: »dieses häßliche Tier von Pessimismus«. Wie? War sie es jetzt, die dein großen Heiligen Schopenhauer die Messe sang, während er, wie alle diese Hanswürste von Pessimisten gern zustimmte, daß die Welt mit einer Bombe in die Luft gesprengt werden müsse, aber sich durchaus weigerte, bei dem Tanze zu sein? Bei diesen Neckereien schüttelte er sich in einem erzwungenen Lachen und er schien so darunter zu leiden, daß sie nicht wieder davon anfing. Später versuchte sie es mit Tröstungen, wie man die kleinen Leiden der Kinder zu stillen pflegt; sie bemühte sich, ihm eine liebenswürdige Umgebung, einen heiteren Frieden zu verschaffen. Er sah sie immer vergnügt, frisch, voller Freude am Leben. Das Haus war voller Sonnenschein. Er hätte nichts anderes tun brauchen, als sein Leben zu genießen, und er konnte es nicht; dieses Glück verschlimmerte sein Entsetzen vor dem Jenseitsnochmehr. Endlich gebrauchte sie eine List, sie träumte davon, ihn in eine große Arbeit zu schleudern, die ihn betäuben würde. Krank von Müßiggang, ohne Geschmack an irgend etwas, fand er sogar das Lesen zu mühselig, und verbrachte daher seine Tage damit, sich in seinem Jammer zu verzehren.
    Einen Augenblick lang hoffte Pauline. Sie hatten einen kurzen Spaziergang am Strande gemacht, und Lazare ihr angesichts der Trümmer des Bollwerkes, von dem noch einige Balken übrig geblieben waren, ein neues Verteidigungssystem auseinandergesetzt und zwar von einer sicheren Widerstandsfähigkeit, wie er versicherte. Das Übel rührte von der Schwäche der Stützbalken her; man müsse ihre Stärke verdoppeln und dem Mittelbalken eine größere Senkung geben. Da seine Stimme erzitterte, seine Augen wie ehemals leuchteten, drängte sie ihn zum Werk. Das Dorf litt, jede Flut schwemmte ein Stück fort; wenn er zum Präfekten gehe, werde er ganz gewiß den Zuschuß erhalten. Außerdem bot sie ihm von neuem Vorschüsse an; es sei ein nach ihrer Meinung rühmliches Werk der Barmherzigkeit. Ihr besonderer Wunsch war, ihn zur Tätigkeit zurückzuführen, sollte sie auch den Rest ihres Geldes dabei verlieren. Aber schon zuckte er die Schultern. Wozu? Er war bleich geworden, denn der Gedanke war ihm gekommen, daß er, beginne er diese Arbeit auch, sterben werde, ohne sie beendet zu haben. Um seine Verwirrung zu verbergen, beschwor er sogar seinen Groll gegen die Fischer von Bonneville wieder herauf.
    »Spitzbuben, die sich über mich lustig gemacht haben, als dieses teuflische Meer unter ihnen aufräumte... Nein, nein, möge es ihnen nur auch das letzte nehmen! Sie sollen nicht mehr über meine Zündhölzer lachen, wie sie sagten.«
    Pauline versuchte ihn durch Sanftmut zu beruhigen. Die Leute seien so unglücklich! Seitdem die Flut Houtelards Haus, das festete von allen und drei andere Hütten der Armen fortgerissen hatte, nahm das Elend noch mehr zu. Houtelard, früher der reiche Mann des Dorfes, hatte sich jetzt zwanzig Meter weiter zurück in einem alten Kornspeicher eingerichtet; die anderen Fischer aber, die nicht wußten, wo unterkommen, kampierten jetzt in Hütten, die man aus den Gerippen alter Boote angefertigt hatte. Es war ein jammervolles Elend, ein Leben wie unter den Wilden, wo Frauen und Kinder in Ungeziefer und Lastern verkamen. Die Almosen der Gegend gingen in Schnaps auf. Diese Elenden verkauften die Naturalien, Kleider, Küchengeräte und Möbel, tun sich literweise den schrecklichen Calvados zu kaufen, der sie wie tot vor die Türen hinstreckte. Nur Pauline trat noch immer für sie ein; der Pfarrer ließ sie laufen, Chanteau sprach davon, sein Amt niederzulegen, denn er wollte nicht der Bürgermeister einer Schweineherde sein. Lazare wiederholte, wenn ihn seine Base für dieses vom Unwetter heimgesuchte Säufervolk zu erweichen versuchte, die ewige Redensart seines Vaters:
    »Wer zwingt sie, hier zu bleiben?... Sie brauchen sich nur anderswo anzubauen. Man ist doch wahrhaftig nicht so dumm, sich derartig unter den Wogen festzukleben!«
    Alle machten dieselbe Bemerkung. Man ärgerte sich und behandelte sie wie verwünschte Querköpfe. Sie nahmen dann die Mienen von mißtrauischen, unvernünftigen

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