Die Lebensfreude
vielleicht konnte er durch diese einfachen Waschungen das Leben zurückrufen.
»Was? Was?« sagte er plötzlich. »Du willst dich auf deine Pfoten stellen?«
Von einem Schauer durchrüttelt, machte Mathieu Anstrengungen, um sich aufzurichten. Er streckte seine Glieder, während ein Schlucken, ein hohles Schlagen der Flanken ihm den Hals schwellte. Aber das war das Ende, er stürzte zwischen den Knien seines Herrn zusammen, von dem er die Augen nicht abwandte; er versuchte ihn noch unter seinen schweren Augenlidern hervor zu erblicken. Durch diesen Blick eines Sterbenden außer Fassung gebracht, behielt ihn Lazare bei sich; der große Körper, lang und schwer wie der eines Menschen, kämpfte in seinen trostlos zitternden Armen einen menschlichen Todeskampf. Dann sah er wirkliche Tränen, dicke Tränen aus des Hundes verschleierten Augen rollen, während sich aus seinem krampfhaften Munde die Zunge zu einer letzten Liebkosung hervorstreckte.
»Mein armes, altes Hündchen!« rief Lazare, selbst in Schluchzen ausbrechend.
Mathieu war tot. Ein wenig blutiger Schaum floß aus seinen Lefzen. Als er ihn auf die Erde bettete, schien er zu schlafen.
Nun fühlte Lazare, daß wieder einmal alles zu Ende war. Jetzt starb sein Hund, es war ein maßloser Schmerz, eine Verzweiflung, in der sein ganzes Leben unterging. Dieser Tod erinnerte an die früheren Todesfälle; der Kummer war nicht schrecklicher gewesen, als er den Hof hinter dem Sarge seiner Mutter durchschritt. Die Monate verborgenen Schmerzes erstanden von neuem: seine unter Beklemmungen verbrachten Nächte, seine Spaziergänge nach dem kleinen Kirchhofe, sein Entsetzen vor der Ewigkeit des »Niemals mehr«.
Ein Geräusch machte sich hörbar, Lazare wendete sich um und sah Minouche, die sich ruhig auf dem Stroh putzte. Aber die Tür hatte geknarrt. Pauline kam, von dem nämlichen Gedanken wie ihr Vetter getrieben. Als er sie bemerkte, weinte er noch heftiger; er, der mit einer Art wilder Scheu den Kummer über seine Mutter zu verbergen sich bemüht hatte, schrie jetzt:
»Mein Gott! Mein Gott! sie liebte ihn so sehr! Erinnerst du dich? Sie hatte ihn ganz klein erhalten, sie gab ihm zu fressen, und ihr folgte er überallhin im Hause!«
Dann fügte er hinzu:
»Jetzt ist niemand mehr da, wir sind zu einsam!«
Paulinens Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte sich in dem fahlen Lichte der Kerze über den armen Mathieu gebeugt. Sie machte keinen Versuch, Lazare trösten zu wollen, sie hatte nur eine Bewegung der Entmutigung; sie fühlte sich unnütz und ohnmächtig.
Achtes Kapitel.
Auf dem Grunde von Lazares Traurigkeit schlummerte die Langeweile, eine schwerlastende, beständige Langeweile, die aus allem hervordrang wie das trübe Wasser aus einer vergifteten Quelle. Ihn langweilte die Ruhe, die Arbeit und noch mehr als über alles andere langweilte er sich über sich selbst. War es nicht eine Schande, daß ein Mann seines Alters die Jahre der Kraft in diesem Loche Bonneville zubrachte? Bis zur Stunde hatte er wohl Vorwände gehabt; aber jetzt hielt ihn nichts mehr zurück, er verachtete sich selbst, daß er nutzlos den Seinen zur Last war, die selbst kaum zu leben hatten. Er hätte ihnen ein Vermögen erwerben müssen: es war ein Bankerott seinerseits, denn er hatte es sich früher geschworen. Die Zukunftspläne, die großen Unternehmungen, der geniale Einfall, der ihm Reichtum bringen sollte, sie fehlten noch immer nicht. Nur wenn er sich von dem Traume losmachte, verspürte er nicht mehr den Mut zum Beginn einer Tätigkeit.
»Das kann so nicht fortgehen,« sagte er oft zu Pauline, »ich muß arbeiten. Ich habe Lust, in Caen eine Zeitung zu gründen.«
Sie antwortete ihm jedesmal:
»Warte das Ende der Trauer ab, es eilt nicht. Denke wohl darüber nach, ehe du dich in ein solches Unternehmen stürzest.«
In Wahrheit zitterte sie trotz ihres Wunsches, ihn beschäftigt zu sehen, bei dem Gedanken an diese Zeitung. Ein neues Fehlschlagen würde ihn vielleicht vernichtet haben; sie erinnerte sich der fortwährenden Fehlschläge, der Musik, der Medizin, der chemischen Fabrik, alles dessen, was er unternommen hatte. Zwei Stunden später weigerte er sich übrigens, wie von Müdigkeit zerschlagen, einen Brief zu schreiben.
Es verstrichen Wochen, eine Hochflut spülte drei Häuser von Bonneville weg. Wenn die Fischer jetzt Lazare begegneten, fragten sie ihn, ob er genug davon habe. Man konnte nichts dagegen tun, aber das wurmte einen doch, so viel gutes Holz verloren
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