Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
Vom Netzwerk:
indessen der Zimmermann mit der Rechnung kam, konnte sie eine Bewegung schmerzlichen Staunens nicht zurückhalten: die viertausend Franken des Anschlages waren beinahe achttausend geworden. Im ganzen hatte sie mehr als zwanzigtausend Franken in jene Balken gesteckt, die der erste Sturm hinwegfegen konnte.
    In dieser Zeit war Paulinens Vermögen auf vierzigtausend Franken zusammengeschmolzen. Das waren zweitausend Franken Rente, gerade genug zum Leben, wenn sie sich eines Tages allein auf dem Straßenpflaster befinden sollte. Das Geld war nach und nach in dem Hause daraufgegangen, wo sie noch immer mit offenen Händen zahlte. Von da an überwachte sie mit der Strenge einer klugen Haushälterin die Ausgaben. Die Chanteaus hatten nicht einmal mehr ihre dreihundert Franken monatlich; denn nach dem Tode der Mutter hatte man den Verkauf verschiedener Rententitel bemerkt, ohne zu entdecken, was aus den in Anspruch genommenen Summen geworden. Fügte sie die eigene Rente zu jener der Chanteaus, so hatte sie kaum über vierhundert Franken monatlich, der Haushalt kostete schweres Geld, und sie mußte wahre Wunder an Sparsamkeit verrichten, um ihre Almosengelder zu retten. Seit dem letzten Winter hatte die Vormundschaft des Doktor Cazenove ein Ende genommen, Pauline war mündig und verfügte unbeschränkt über ihr Vermögen und ihre Person; der Doktor belästigte sie zweifelsohne nicht, denn er weigerte sich geradezu, um Rat gebeten zu werden, und sein Auftrag hatte gesetzlich bereits seit Wochen aufgehört, ehe die beiden dessen inne wurden; aber sie fühlte sich trotzdem jetzt reifer und freier, als sei sie ganz Frau geworden, denn sie sah sich als Herrin des Hauses ohne einen Zwang der Rechnungslegung, von ihrem Onkel angefleht, alles zu ordnen und ihm nie über etwas zu sprechen. Auch Lazare hatte ein Entsetzen vor Geldfragen. Sie verwaltete daher die gemeinschaftliche Kasse und vertrat ihre Tante mit einem praktischen Verstande, der die beiden Männer manchmal in Erstaunen setzte. Nur Veronika fand sie sehr »filzig«: mußte man sich jetzt nicht mit einem Pfund Butter des Sonnabends begnügen!
    Die Tage folgten einander in einförmiger Regelmäßigkeit. Diese Ordnung, diese unaufhörlich von vorn beginnenden Gewohnheiten, die in Paulinens Augen das Glück ausmachten, verschlimmerten Lazares Langeweile bedeutend. Nie war er mit solcher Unruhe durch das Haus gewandelt als während des lächelnden Friedens, in den sie jedes Zimmer hüllte. Die Beendigung der Arbeiten an der Küste wurde für ihn eine wahre Erleichterung, denn jede vorgefaßte Meinung hielt ihn in ihrem Banne, und sobald er wieder in seinen Müßiggang zurückgesunken war, verzehrten ihn auch Scham und Unbehagen. Jeden Morgen änderte er seine Zukunftspläne: der Gedanke an eine Zeitung wurde als unwürdig verworfen, er geriet in Zorn gegen die Armut, die ihm nicht gestattete, sich ruhig einem großen literarisch-geschichtlichen Werke hinzugeben; dann liebäugelte er mit dem Plane Professor zu werden, die Prüfungen zu machen, wenn es sein müßte und sich für seine Arbeit als Schriftsteller den nötigen Brotverdienst zu sichern. Zwischen ihm und Pauline schien nur die Kameradschaft von früher übrig zu bleiben, eine gewohnheitsgemäße Zärtlichkeit, die sie zu Schwester und Bruder machte. In dieser engen Vertraulichkeit sprach er nie von ihrer Heirat, sei es aus völliger Vergessenheit, sei es, weil es eine zu oft wiederholte Geschichte war, die sich ohne Rederei vollziehen werde. Auch sie vermied es davon zu sprechen, überzeugt, daß er beim ersten Worte einwillige. Trotzdem hatte bei ihr das Verlangen nach Lazare bereits täglich abgenommen: sie fühlte es, ohne zu verstehen, daß ihre Ohnmacht ihn vor der Langenweile zu retten, keine andere Ursache hatte.
    Eines Abends in der Dämmerstunde stieg sie zu ihm hinauf, um ihm zu sagen, daß aufgetragen sei; dabei ertappte sie ihn, wie er hastig einen Gegenstand verbarg, den sie nicht erkennen konnte.
    »Was hast du denn da?« fragte sie lachend. »Verse für meinen Namenstag?«
    »Aber nein«, sagte er sehr aufgeregt, mit wankender Stimme. »Nichts.«
    Es war ein alter, von Luise vergessener Handschuh, den er hinter einem Stoß Bücher gefunden hatte. Dieser Handschuh von sächsischem Leder hatte noch einen starken Geruch bewahrt, diesen ausgesprochenen Wildgeruch, den das Lieblingsparfüm des jungen Mädchens, Heliotrop, durch einen Zusatz von Vanille milderte; er, auf den Gerüche einen großen Eindruck

Weitere Kostenlose Bücher