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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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ihrer Eifersucht erschien. Der Stolz ihrer Selbstverleugnung war entschwunden, sie fügte sich darin, daß die Ihren auch ohne ihr Hinzutun glücklich würden. Es war der höchste Grad der Liebe zu den anderen: zu verschwinden, alles zu geben, ohne zu glauben, genug gegeben zu haben, zu lieben bis zu dem Maße, daß man sich eines Glückes freut, das man nicht bereitet hat und nicht teilen wird. Die Sonne stieg empor, als sie in tiefen Schlaf verfiel.
    An jenem Tage kam Pauline sehr spät hinab. Als sie erwacht war, hatte sie die Freude gehabt, ihre Entschlüsse vom vorhergehenden Tage klar und fest zu empfinden. Dann bemerkte sie, daß sie sich vergessen hatte und daß sie in der neuen Lage, die für sie entstehen werde, an das Morgen denken mußte. Wenn sie auch den Mut hatte, Lazare und Luise zu verheiraten: den Mut, bei ihnen zu bleiben, die Vertraulichkeit ihres Glückes zu teilen, würde sie nicht haben; die Ergebenheit hatte ihre Grenzen, sie befürchtete die Wiederkehr ihrer Heftigkeit, irgendeinen schrecklichen Auftritt, von dem sie den Tod haben werde. Tat sie nicht schließlich bereits genug? Wer wollte die Grausamkeit haben, ihr diese unnütze Qual aufzuerlegen? Auf der Stelle war ihre Entscheidung unwiderruflich gefaßt: sie wollte fortgehen, dieses Haus voll beunruhigender Erinnerungen verlassen. Es bedeutete eine vollständige Veränderung ihres Lebens, und sie schrak nicht davor zurück.
    Beim Frühstück trug sie jene ruhige Heiterkeit zur Schau, die sie nicht mehr verließ. Beim Anblick Lazares und Luisens, die Seite an Seite flüsterten und lachten, blieb sie tapfer, fühlte sie keine andere Schwäche als eine große Kälte im Herzen. Da es gerade ein Sonnabend war, beschloß sie beide zu einem langen Spaziergang anzueifern, um allein zu sein, wenn Doktor Cazenove käme. Die beiden gingen fort, und sie hatte noch die Vorsicht, den Arzt auf der Straße zu erwarten. Sowie er sie erblickte, wollte er sie in seinen Wagen nehmen und nach Hause fahren. Sie aber bat ihn auszusteigen, und sie kehrten langsamen Schrittes heim, während Martin hundert Meter vor ihnen den leeren Wagen lenkte.
    Pauline schüttete in wenigen, schlichten Worten ihr Herz aus. Sie sagte alles. Ihren Plan, Lazare Luisen zu geben, ihre Absicht, das Haus zu verlassen. Dieses Bekenntnis schien ihr notwendig, sie wollte nicht unüberlegt handeln, und der alte Arzt war der einzige Mann, der sie verstehen konnte.
    Plötzlich blieb Cazenove mitten auf der Straße stehen, und umfaßte sie mit seinen langen, mageren Armen. Er zitterte vor Erregung und preßte einen innigen Kuß auf ihr Haar.
    »Du hast recht, meine Tochter!« rief er, indem er sie duzte. »Siehst du, ich bin entzückt, denn das konnte noch schlechter enden. Es quält mich schon seit Monaten, es machte mich ordentlich krank, zu Euch zu gehen, so unglücklich fühlte ich mich ... Sie haben dich schön ausgeplündert, die guten Leute: zuerst dein Geld, dann dein Herz.«
    Das junge Mädchen versuchte ihn zu unterbrechen:
    Mein Freund, ich bitte Sie ... Sie beurteilen sie schlecht!«
    »Möglich, das hindert mich aber nicht, mich deinethalben zu freuen. Geh, geh, gib deinen Lazare hin, du machst der andern gerade kein schönes Geschenk mit ihm ... Gewiß, er ist liebenswürdig, voll der besten Absichten; aber mir ist es lieber, daß die andere mit ihm unglücklich wird. Diese Burschen, die sich beständig langweilen, sind schwer zu ertragen selbst für so kräftige Schultern wie die deinen. Ich wünschte dir lieber einen Schlächtergehilfen, ja, einen Schlächtergehilfen, der Tag und Nacht lachte, daß ihm die Kinnbacken bersten.
    Als er ihre Augen sich mit Tränen füllen sah, fuhr er fort:
    »Gut! Du liebst ihn, sprechen wir nicht mehr davon. Umarme mich noch einmal, du bist ein Mädchen, wacker genug, um soviel Vernunft zu haben ... So ein Dummkopf, der es nicht versteht!«
    Er hatte sie beim Arm genommen und preßte sie an sich. Dann sprachen sie vernünftig miteinander, während sie sich wieder auf den Weg machten. Sie würde sicher gut daran tun, Bonneville zu verlassen, und er wollte es auf sich nehmen, ihr eine Stellung zu verschaffen. Er hatte gerade in Saint-Lô eine alte reiche Verwandte, die eine Gesellschafterin suchte. Das junge Mädchen würde sich sehr gut dort befinden, um so mehr, als die Dame keine Kinder hatte, Neigung für sie fassen und sie später vielleicht an Kindesstatt annehmen konnte. Alles wurde geordnet, er versprach, binnen drei Tagen eine

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