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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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um sie und preßte sie heftig an sich. Dann versprach er, zu der andern liebenswürdig zu sein.
    Von dem Augenblicke an flössen die Tage in einer reizenden Vertraulichkeit dahin. Lazare schien sich nicht mehr zu langweilen. Statt sich wie ein Wilder krank von der Einsamkeit in sein Zimmer einzuschließen, erfand er Spiele, schlug er Spaziergänge vor, von denen man wie berauscht von der freien Luft heimkehrte. Von da an nahm Luise ihn unmerkbar wieder ganz gefangen. Er gewöhnte sich an sie; er wagte es, ihr den Arm zu bieten und ließ sich wieder von diesem verwirrenden Wohlgeruch durchdringen, der dem kleinsten Zipfel ihrer Spitzen entströmte. Anfangs kämpfte er und wollte sich entfernen, sobald er den Rausch emporsteigen fühlte. Aber seine Base selbst rief ihm zu, dem jungen Mädchen beizustehen, wenn es zwischen den Klippen Wasserrinnen zu überspringen gab; sie selbst setzte kühn wie ein Junge darüber hinweg, während die andere sich mit dem Aufschrei eines verwundeten Schwälbleins in die Arme des jungen Mannes flüchtete. Auf dem Rückwege stützte er sie; ihr ersticktes Lachen, ihr Ohrengeflüster begann von neuem. Bisher beunruhigte Pauline noch nichts, sie behielt ihr mutiges Benehmen bei, ohne zu merken, daß sie ihr eigenes Glück aufs Spiel setzte, wenn sie nicht ebenfalls müde erscheinen und nicht gestützt sein wollte. Der gesunde Duft ihrer Arme einer Wirtschafterin regte niemanden auf. Mit einer Art lachender Kühnheit zwang sie die beiden Arm in Arm vor ihr einherzuschreiten, wie um ihnen ihr Vertrauen zu zeigen.
    Übrigens würde sie keines von beiden getäuscht haben. Wenn sich Lazare auch diesem Rausche wieder hingab, so kämpfte er doch auch immer dagegen, er bemühte sich nachher sich, ihr gegenüber noch zärtlicher zu zeigen. Es war das eine Überrumpelung des Fleisches, der er sich mit Wonne hingab, nahm sich aber fest vor, daß das Spiel diesmal bei dem erlaubten Lachen bleiben solle. Warum sollte er auf dieses Vergnügen verzichten, wenn er entschlossen war, seiner Pflicht als ehrlicher Mann treu zu bleiben? Luise hatte noch größere Gewissensbisse; nicht, daß sie sich der Gefallsucht anklagte, denn sie war von Natur zärtlich, sie gab sich ohne zu wissen mit einer Bewegung, einem Atemzuge hin; aber sie würde keinen Schritt getan, kein Wort ausgesprochen haben, womit sie nach ihrer Empfindung Pauline unangenehm hätte sein können. Die Vergebung für die Vergangenheit rührte sie zu Tränen, sie wollte ihr beweisen, daß sie dessen würdig war, sie hatte ihr jene überschwängliche Frauenanbetung geweiht, die sich durch Schwüre, Küsse, alle Arten leidenschaftlicher Kosereien kundgibt. Darum beobachtete sie sie unaufhörlich, um herbeizueilen, wenn sie eine Wolke auf ihrer Stirn bemerkte. So ließ sie plötzlich Lazares Arm fahren und ergriff den ihren, ärgerlich, daß sie sich einen Augenblick hatte vergessen können; sie suchte sie zu zerstreuen, verließ sie nicht mehr und stellte sich sogar, als schmolle sie mit dem jungen Manne. Sie war nie so reizend gewesen wie in dieser fortwährenden Ergriffenheit und in dem Bedürfnis zu gefallen, von dem sie sich im Augenblick hinreißen ließ, und das sie nachher um so mehr bedauerte; sie erfüllte das Haus mit dem Rauschen ihrer Kleider und den schmachtenden Liebkosungen einer jungen Katze.
    Nach und nach verfiel Pauline wieder in ihre Qualen. Ihre Hoffnung, ihr kurzer Triumph erhöhte deren Grausamkeit. Es waren nicht die heftigen Erschütterungen von früher, Eifersuchtsanfälle, die sie eine Stunde lang wie toll machten; es war ein langsames Niederdrücken wie durch eine auf sie gefallene Masse, deren Gewicht sie jede Minute mehr aufrieb. Von nun an war keine Rast und kein Heil mehr möglich: ihr Unglück hatte den Gipfel erreicht. Sie hatte ihnen sicher keine Vorwürfe zu machen, beide überhäuften sie mit Zuvorkommenheiten und kämpften gegen die Hinneigung, die sie einander zutrieb; sie litt gerade unter diesen Zuvorkommenheiten und begann von neuem klar zu sehen, seitdem jene sich zu verständigen schienen, um ihr den Schmerz ihrer gegenseitigen Liebe zu ersparen. Das Mitleid dieser beiden Liebenden wurde ihr unerträglich. War dieses hastige Flüstern, wenn sie sie beisammen ließ, kein Geständnis, und dann wieder dieses plötzliche Schweigen, wenn sie wiederkam, diese heftigen Küsse Luisens und die liebevolle Demut Lazares? Sie hätte sie lieber schuldig gesehen, daß sie sie in allen Ecken verrieten; während dieser

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