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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Haut, er brannte sie mit seinen Küssen, unter denen sie jedesmal erzitterte. Zweimal noch drohte sie zu fallen, dem unbesiegbaren Verlangen sich ihm hinzugeben gehorchend, und sie litt unendlich unter diesem Kampfe gegen sich selbst. Sie hatten mit kurzem Atem und verschlungenen Gliedern die Runde um den Tisch gemacht, als es ihm endlich gelang, sie auf einen alten Divan zu werfen, dessen Sprungfedern ächzten. Mit ausgestreckten Armen hielt sie ihn von sich ab und wiederholte dabei mit heiser werdender Stimme:
    »Ich bitte dich! Laß mich... Es ist abscheulich, was du tun willst.«
    Er hatte mit zusammengepreßten Zähnen nicht ein Wort gesprochen. Er glaubte sie endlich zu besitzen, als sie sich ein letztes Mal und so heftig befreite, daß er bis an den Tisch taumelte. In diesem freien Augenblicke konnte sie hinaus; mit einem Satze war sie über den Flur und in ihrem Zimmer. Er hatte sie bereits eingeholt, sie konnte die Tür nicht mehr in das Schloß drücken. Er drängte von außen, und sie mußten sich, um den Riegel vorschieben und den Schlüssel umdrehen zu können, mit der ganzen Schwere ihres Körpers gegen das Holz stemmen. Während sie ihm diesen schmalen Spalt streitig machte, fühlte sie sich verloren, wenn er auch nur die Spitze seines Pantoffels hineinzuzwängen vermochte. Der Schlüssel knirschte laut, dann trat tiefe Stille ein, in der man nur das Meer die Mauern der Terrasse erschüttern hörte.
    Pauline blieb indessen ohne Licht mit in der Finsternis weit geöffneten Augen gegen die Tür gelehnt. Sie war sich völlig klar, daß auch Lazare auf der andern Seite des Holzes sich nicht gerührt hatte. Sie vernahm seinen Atem, sie glaubte noch immer dessen Flamme auf ihrem Nacken zu fühlen. Entfernte sie sich, so brach er möglicherweise eine Füllung mit einem Stoße seiner Schultern heraus. Ihr Verbleiben an der Tür beruhigte sie, sie stemmte sich mechanisch mit aller Kraft weiter dagegen, als dränge er noch immer. So verstrichen zwei unendlich lange Minuten in dieser gegenseitigen Erregung, die sie beide gepackt hatte, kaum durch das dünne Holz getrennt, brennend, von diesem Verlangen erschüttert, das sie nicht zu besänftigen wußten. Dann hauchte Lazares Stimme ganz leise, von der Aufregung gedämpft:
    »Öffne mir, Pauline, ich weiß, du bist da.«
    Ein Schauer lief über ihr Fleisch, diese Stimme hatte sie vom Kopf bis zu den Fußspitzen durchglüht. Aber sie antwortete nicht. Gesenkten Hauptes hielt sie mit einer Hand ihre fallenden Röcke, während die andere, an das offene Obergewand gekrampft, ihre Brust zusammendrückte, um ihre Blöße zu verbergen.
    »Du leidest ebenso wie ich, Pauline... Ich flehe dich an, öffne! Warum uns dieses Glück versagen?«
    Er fürchtete jetzt, Veronika zu wecken, deren Stube nebenan war. Sein Flehen wurde sanft wie die Klage eines Kranken. »So öffne doch... Öffne, wir wollen nachher sterben, wenn du willst. Lieben wir uns nicht seit unserer Kindheit? Du solltest meine Frau werden, ist es nicht unvermeidlich, daß du es eines Tages noch wirst?... Ich liebe dich, ich liebe dich, Pauline...«
    Sie zitterte stärker, jedes Wort preßte ihr das Herz zusammen. Die Küsse, mit denen er ihre Schultern bedeckt, brannten wie Feuertropfen auf ihrer Haut. Sie steifte sich noch mehr gegen die Tür auch Furcht, daß sie öffnen und sich ihm in dem unwiderstehlichen Verlangen ihres halbnackten Körpers hingeben könne. Er hatte recht, sie betete ihn an, warum sich diese Freude verweigern, die sie vor der ganzen Welt verbergen würden? Das Haus schlief, die Nacht war schwarz. Schlafen können im Schatten, einer am Halse des andern, ihn für sich haben, und sei es auch nur für eine Stunde! Oh! leben, endlich leben!
    »Mein Gott, wie grausam du bist, Pauline...! Du willst nicht einmal antworten, und ich stehe hier so elend. Öffne, ich werde dich nehmen, behalten, wir werden alles vergessen... Öffne, öffne mir, ich bitte dich.«
    Er schluchzte, und sie begann zu weinen. Sie schwieg noch immer trotz des Aufruhrs ihres Blutes. Eine Stunde lang fuhr er fort, sie anzuflehen, sich zu erzürnen, er verfiel schließlich in abscheuliche Ausdrücke, um dann wieder in Worte glühender Zärtlichkeit auszubrechen. Zweimal glaubte sie, er sei fort, und zweimal kam er aus seinem Zimmer zurück mit verdoppelter Liebesraserei. Als sie ihn sich wütend in sein Zimmer einschließen hörte, überkam sie eine ungeheure Traurigkeit. Diesmal war es zu Ende, sie hatte gesiegt; aber eine so

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