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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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daß eine wohlerzogene Dame sich auf dem Lande der Pflicht des guten Beispiels, sich gegen den Pfarrer höflich zu zeigen, nicht entziehen könne. Die Tante selbst hatte nie etwas anderes als eine Religion der Schicklichkeit geübt; diese bildete einen Teil der guten Erziehung, wie der Anstand selbst.
    Das Meer peitschte indessen Bonneville täglich zweimal mit dem ewigen Schaukeln seiner Flut, und Pauline wuchs angesichts des unendlichen Horizontes auf. Sie spielte nicht mehr, denn sie besaß keinen Kameraden. Wenn sie mit Mathieu um die Terrasse getollt oder hinten im Gemüsegarten mit Minouche auf der Schulter einen Spaziergang gemacht hatte, blieb ihr als einzige Erholung der Blick auf das immer lebendige Meer, so bleifarben während der trüben Dezembertage, von so zartem, wechselndem Grün bei den ersten Strahlen der Maisonne. Das Jahr war im übrigen befriedigend; das Glück, das ihre Anwesenheit in das Haus gebracht zu haben schien, bekundete sich außerdem noch durch eine unerwartete Zahlung von fünftausend Franken seitens Davoines an Chanteau, um einen Bruch, mit dem sie ihm gedroht hatten, zu vermeiden. Sehr gewissenhaft ging die Tante alle drei Monate nach Caen, um die Zinsen für Pauline zu erheben; sie zog vorerst die Kosten und die vom Familienrate gutgeheißene Pension ab und kaufte für den Rest neue Papiere. Wenn sie dann heimkam, verlangte sie, daß die Kleine sie auf ihr Zimmer begleite, woselbst sie die bekannte Schieblade des Schreibsekretärs aufzog und dabei wiederholte:
    »Du siehst, ich tue dies zu den anderen... Was? Der Haufen wächst. Sei unbesorgt, du wirst alles so wiederfinden, es soll nicht ein Centime fehlen.«
    Im August fiel Lazare eines schönen Morgens mit der Neuigkeit in das Haus, daß er bei der Schlußprüfung des Jahres einen vollständigen Erfolg gehabt habe. Er sollte erst eine Woche später kommen, hatte aber seine Mutter überraschen wollen. Das war eine große Freude. In den alle vierzehn Tage anlangenden Briefen hatte er eine wachsende Neigung für die Medizin bekundet. Als er da war, schien er ihnen vollkommen verändert, denn er sprach nicht mehr von Musik und begann sie mit seinen ewigen Erzählungen von seinen Professoren, seinen wissenschaftlichen Abhandlungen bei allen möglichen Anlässen – wenn die Gerichte aufgetragen wurden, oder wenn ein Wind sich erhob – zu langweilen. Ein neues Fieber hatte sich seiner bemächtigt, er hatte sich mit Feuereifer dem Gedanken hingegeben, ein Arzt von Genie zu sein, dessen Erscheinen die Welt umstürzen solle.
    Pauline besonders, nachdem sie ihm wie ein Junge, der aus seinen Zärtlichkeiten gar kein Hehl macht, an den Hals gesprungen, war erstaunt, ihn anders zu finden. Es bekümmerte sie fast, ihn nicht – wenigstens zur Erholung ein wenig – von Musik sprechen zu hören. Konnte man wirklich etwas nicht mehr lieben, nachdem man es so sehr geliebt hatte? Als sie ihn über seine Sinfonie befragte, begann er darüber zu spotten; er sagte, daß es mit diesen Dummheiten ein Ende habe, und sie wurde ganz traurig darüber. Dann bemerkte sie, daß er sich ihr gegenüber verlegen fühlte, ein häßliches Gelache anhob und seine Augen, seine Bewegungen von einem zehnmonatlichen Leben sprachen, das man kleinen Mädchen nicht erzählen konnte. Er hatte seinen Koffer selbst ausgepackt, um seine Bücher, Romane, wissenschaftliche Bände voller Kupferstiche zu verbergen. Er ließ sie nicht mehr mit fliegenden Röcken wie einen Kreisel herumwirbeln, er verlor manchmal die Fassung, wenn sie darauf bestand, sein Zimmer zu betreten und dort zu hausen. Sie war gleichwohl kaum größer geworden, sie sah ihn mit ihren klaren, unschuldigen Augen an, und nach acht Tagen war ihre knabenhafte Kameradschaft wieder angeknüpft. Die rauhe Meeresluft wusch ihm die Gerüche des Studentenviertels ab, er ward wieder Kind bei diesem so gesunden Kinde mit der schallenden Heiterkeit. Alles wurde wiederaufgenommen, alles begann von neuem, die Spiele um den großen Tisch, das Herumjagen in Gemeinschaft von Mathieu und Minouche im Gemüsegarten, die Ausflüge bis zur Schatzbucht und die unschuldigen Bäder unter der Sonne bei dem frischen Winde, der ihnen die Hemden wie Fahnen um die Beine flattern ließ. Gerade in diesem Jahr verbrachte Luise, die im Mai nach Bonneville gekommen war, ihre Ferien in Rouen bei anderen Freunden. Es flossen zwei herrliche Monate dahin, nicht ein einziges Schmollen verdarb ihnen ihre Freundschaft.
    Im Oktober, an dem Tage, an

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