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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Ausbruch eines neuen Anfalles befürchtete. Trotzdem legte sie den Fehler nicht ab; ein innerlicher Druck jagte ihr alles Blut der Adern in das Gehirn. Es schien, als seien diese leidenschaftlichen Heftigkeitsanfälle von weit her, von einem Vorfahren mütterlicher Seite auf sie gekommen, über das gleichmäßige Wesen ihrer Mutter und ihres Vaters hinweg, deren lebendiges Ebenbild sie war. Da sie für ihre zehn Jahre schon sehr verständig war, erklärte sie selbst den Leuten, daß sie alles Mögliche tue, um gegen diese Wutausbrüche anzukämpfen, was ihr jedoch nicht gelinge. Hinterher war sie immer traurig darüber, wie über ein Übel, dessen man sich schämt.
    »Ich liebe euch so sehr, warum liebt ihr auch andere?« erwiderte sie, den Kopf an der Tante Schulter verbergend, die ihr in ihrem Zimmer eine Strafpredigt gehalten hatte.
    Trotz aller Anstrengung litt Pauline sehr unter Luisens Anwesenheit. Von dem Augenblick der Ankündigung ihres Kommens hatte sie dieselbe mit einer unruhigen Neugier erwartet, und jetzt zählte sie die Tage, von dem ungeduldigen Wunsche nach ihrer Abreise beseelt. Im übrigen war sie von Luise bezaubert, die hübsch gekleidet ging, sich wie ein kluges junges Fräulein benahm und die einschleichende Liebenswürdigkeit eines im eigenen Hause wenig gehätschelten Kindes zur Schau trug. War aber Lazare zugegen, so war es gerade dieser Reiz des jungen Weibes, dieses Erwachen des Unbekannten, was Pauline verwirrte und aufbrachte. Der junge Mann indessen bevorzugte diese; er spottete über die andere, sagte, daß sie ihn mit ihrem vornehmen Wesen langweile, daß man sie allein lassen müsse, damit sie die Dame spielen könne, während sie – er und Pauline – hinausgehen würden, um sich in ihrer gewohnten Weise zu unterhalten. Die wilden Vergnügungen waren übrigens aufgegeben, man sah sich im Zimmer Bilder an und ging mit schicklichen Schritten am Strande spazieren. Es waren zwei vollständig verpfuschte Wochen.
    Eines Morgens erklärte Lazare, daß er seine Abreise um fünf Tage beschleunigen wolle. Er wolle sich in Paris einrichten und dort einen seiner alten Kameraden aus Caen aufsuchen. Pauline, die der Gedanke an seine Abreise schon seit einem Monat in Verzweiflung brachte, unterstützte lebhaft den Entschluß ihres Vetters und half ihrer Tante mit einer freudigen Geschäftigkeit den Koffer packen. Als dann Vater Malivoire Lazare in seiner alten Berline fortgeführt hatte, schloß sie sich in ihrem Zimmer ein und weinte dort lange. Am Abend tat sie sehr liebenswürdig zu Luise; und die acht Tage, die diese noch in Bonneville zubrachte, waren entzückend. Als der Diener ihres Vaters sie abholen kam und meldete, daß der Herr sein Bankgeschäft nicht habe verlassen können, warfen sich die kleinen Freundinnen einander in die Arme und schworen sich ewige Liebe.
    Dann verstrich langsam ein Jahr. Frau Chanteau hatte ihre Ansicht geändert; statt Pauline in eine Erziehungsanstalt zu senden, behielt sie dieselbe bei sich, vorzüglich Chanteaus Klagen halber, der das Kind nicht mehr entbehren konnte. Aber sie gestand sich diesen eigennützigen Grund nicht, sondern sagte, sie wolle sich selbst des Unterrichts von Pauline annehmen; der Gedanke, auf diese Weise wieder in das Lehrfach zurückzutreten, machte ihr ordentlich Vergnügen. In den Erziehungsanstalten hörten die kleinen Mädchen häßliche Dinge, sie wolle für die vollkommene Unschuld ihrer Schülerin verantwortlich sein. Man fischte aus der Tiefe von Lazares Bibliothek eine Grammatik, ein Rechenbuch, ein Geschichtsbuch und sogar eine kurze Übersicht der Götterlehre, und Frau Chanteau nahm für eine Stunde am Tage den Bakel wieder an sich; es gab Diktate, Rechenexempel und Auswendiglernen. Des Vetters große Stube ward in ein Arbeitszimmer umgewandelt; Pauline mußte sich an das Klavier setzen, von dem Vortrag über den guten Anstand nicht zu sprechen, dessen Grundlehren ihr die Tante streng entwickelte, um ihr das knabenhafte Benehmen auszutreiben. Sie war übrigens folgsam und einsichtig und lernte willig, selbst wenn die Gegenstände sie abstießen. Nur ein Buch langweilte sie: der Katechismus. Sie hatte noch nicht begriffen, warum sich ihre Tante des Sonntags die Mühe machte, sie zur Messe zu führen. Wozu war das gut? In Paris hatte man sie nie nach der Eustachiuskirche geführt, trotzdem sich diese in der Nähe ihres Hauses befand. Die abstrakten Gedanken gingen ihr nur schwer in den Kopf; ihre Tante mußte ihr erklären,

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