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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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unberührt wieder zustellen.«
    Pauline wurde noch bleicher; sie war die Beute eines inneren Kampfes. In ihr war der Geiz, die Liebe Quenus und Lisas zum schweren Gelde ihres Geschäftes erblich geblieben; die Folgen der ehedem in dem Wurstladen erhaltenen ersten Erziehung, die Achtung vor dem Gelde, die Furcht, daß es ausgehen könne, ein schamvolles, unbekanntes Etwas, eine geheime Filzigkeit, die sich im Grunde ihres guten Herzens geltend machte, spukten noch immer. Außerdem hatte ihr die Tante die Schublade des Schreibsekretärs, in dem ihr Erbteil schlummerte, so oft gezeigt, daß der Gedanke, es in den unsteten Händen ihres Vetters schmelzen zu sehen, sie beinahe ärgerte. Sie schwieg, weil sie auch das Bild von Luise, wie sie dem jungen Manne einen großen Sack Geld brachte, weidlich peinigte.
    »Selbst wenn du wolltest, will ich nicht«, hob Frau Chanteau wieder an. »Nicht wahr, mein Freund, das ist eine Gewissensfrage?«
    »Ihr Geld ist ihr Geld«, antwortete Chanteau, der bei dem Versuche sein Bein zu heben, einen Schmerzensschrei ausstieß ... »Wenn die Geschichte schlecht ginge, würde man über uns herfallen. Nein, nein! Thibaudier wird sehr glücklich darüber sein, borgen zu können.«
    Endlich fand Pauline in einer Aufwallung ihres Herzens die Stimme wieder.
    »Oh! Tut mir diesen Schmerz nicht an. Ich, ich muß Lazare das Geld leihen! Ist er nicht mein Bruder? Es wäre zu häßlich, wollte ich ihm dieses Geld verweigern! Warum habt ihr mir davon gesprochen? Gib ihm das Geld, Tante, gib ihm alles.«
    Die Gewalt, die sie sich soeben angetan, badete ihre Augen in Tränen, und sie lächelte beschämt, gezögert zu haben, noch von einem Bedauern geplagt, über das sie verzweifelt war. Schließlich mußte sie noch gegen ihre Verwandten ankämpfen, die sich in den Kopf setzten, die faulen Seiten des Unternehmens vorauszusehen. Bei dieser Gelegenheit zeigten sie sich von einer vollkommenen Rechtschaffenheit.
    »Komm und küsse mich«, schloß endlich die Tante in Tränen. »Du bist ein gutes, liebes Mädchen ... Lazare wird dein Geld nehmen, weil du sonst böse bist.«
    »Und mich küßt du nicht?« fragte der Onkel.
    Man weinte und küßte sich um den Tisch herum. Während Veronika den Tee eingoß und Pauline Mathieu rief, der im Hofe bellte, setzte Frau Chanteau, sich die Augen trocknend, hinzu:
    »Das ist ein großer Trost. Sie hat das Herz in der Hand.«
    »Donnerwetter,« brummte die Magd, »sie würde das letzte Hemd hergeben, nur damit die andere nichts hergebe.«
    Acht Tage später, an einem Sonnabend, kehrte Lazare nach Bonneville zurück. Doktor Casenove, der zu Tisch eingeladen war, sollte den jungen Mann in seinem Wagen mitbringen. Abbé Horteur, der zuerst gekommen war und auch bei den Chanteaus speisen sollte, spielte Dame mit Chanteau, der als Genesender in seinem Lehnstuhle ausgestreckt lag. Der Anfall dauerte diesmal drei Monate, nie zuvor hatte er so viel gelitten. Jetzt fühlte er sich wie im Paradiese trotz des entsetzlichen Juckens, das ihm die Füße zerfleischte: die Haut schälte sich ab, die wässerige Geschwulst war fast verschwunden. Da Veronika Tauben briet, hob er jedesmal die Nase, wenn sich die Küchentür öffnete, von seiner unverbesserlichen Feinschmeckerei befallen, was ihm die weisen Vermahnungen des Pfarrers eintrug.
    »Sie sind nicht bei dem Spiele, Herr Chanteau ... Glauben Sie mir, Sie müssen sich heute abend bei Tisch etwas mäßigen. In Ihrem Zustande taugt das üppige Essen nichts.«
    Luise war am Tage vorher angekommen. Als Pauline den Wagen des Doktors hörte, stürzten beide in den Hof. Aber Lazare schien nur sein Bäschen zu sehen.
    »Wie? das ist Pauline?«
    »Aber ja, ich bin es.«
    »Aber, mein Gott! Was hast du nur gegessen, um so groß zu werden? ... Du kannst ja schon heiraten ...«
    Sie errötete und lachte behaglich; ihre Augen brannten vor Vergnügen, sich so betrachtet zu sehen. Er hatte ein kleines Ding, ein Schulkind in leinenem Kittel zurückgelassen und stand jetzt einem großen, jungen Mädchen gegenüber, dessen Brust und Hüften kokett in ein weißes Frühlingskleid mit rosenfarbenen Blumen gepreßt waren. Sie wurde dennoch ernst, sie beschaute ihn ihrerseits und fand ihn gealtert: er ging, wie es schien, gebeugt, sein Lachen klang nicht mehr jugendlich, ein leichter nervöser Schauer lief über sein Gesicht.
    »Man muß dich jetzt ernsthaft nehmen ...« fuhr er fort. »Guten Tag, mein Teilhaber.«
    Pauline errötete noch mehr, dieses Wort

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