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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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berühmten Herbelin entdeckten Kältemethode, nicht einen einzigen nützlichen Körper zu verlieren. Damit war ein ungeheures Vermögen zu machen.
    »Guter Gott! Wie habt ihr euch zugerichtet!« rief Frau Chanteau, als sie in das Haus traten.
    »Sei nicht böse«, erwiderte Lazare heiter, indem er sein Pack Algen mitten auf die Terrasse warf. »Schau! Wir bringen dir lauter Fünffrankenstücke zurück!«
    Am folgenden Tage holte der Wagen eines Bauern von Verchemont eine ganze Ladung Meereskräuter, und die Studien nahmen in dem großen Zimmer des zweiten Stockwerkes ihren Anfang. Pauline erhielt den Grad eines Präparators. Das war ein Arbeiten während eines Monats! Das Gemach füllte sich schnell mit trockenen Pflanzen, mit Gefäßen, in denen baumartige Gewächse schwammen, mit Instrumenten wunderlichen Aussehens. Ein Mikroskop nahm eine Ecke des Tisches ein; das Piano verschwand unter Kesseln und Retorten, selbst der Schrank krachte von Fachliteratur, von unaufhörlich zu Rate gezogenen Sammlungen. Diese im kleinen mit umständlicher Genauigkeit angestellten Versuche führten im übrigen zu ermutigenden Ergebnissen. Die Kältemethode beruhte auf der Entdeckung, daß gewisse Körper sich bei niederen Temperaturen kristallisieren, welch letztere wiederum für die verschiedenen Körper verschieden sind; es handelte sich jetzt nur noch darum, die verlangten Temperaturen zu erhalten und festzuhalten: jeder Körper schlug sich nach und nach nieder und fand sich getrennt von den anderen. Lazare verbrannte die Algen in einem Graben, dann behandelte er die Aschenlauge auf Kälte, mit Hilfe eines Kühlungsverfahrens, das auf schneller Ammoniakverdampfung beruhte. Diese Behandlung aber mußte im großen vorgenommen, aus dem Laboratorium auf die Industrie übergeleitet werden, und zwar durch Aufstellung von sparsam arbeitenden Apparaten.
    An dem Tage, an dem er aus Mutterlaugen bis zu fünf gut unterschiedene Körper frei gemacht hatte, hallte das Zimmer von lautem Jubel wider. Es zeigte sich vor allem ein überraschendes Verhältnis von Pottaschenbrom. Dieses Modeheilmittel mußte sich wie Brot verkaufen. Pauline, die von ihrer alten knabenhaften Tollheit befallen um den Tisch herumtanzte, eilte plötzlich die Treppe hinunter und platzte mitten in das Speisezimmer hinein, in dem ihr Onkel eine Zeitung las, während die Tante Mundtücher zeichnete.
    »So!« rief sie. »Jetzt könnt ihr krank werden, wir werden euch Brom genug geben.«
    Frau Chanteau, die seit einiger Zeit an nervösen Anfällen litt, war von Doktor Cazenove soeben auf Brom gesetzt worden. Sie lächelte.
    »Werdet ihr auch genug haben, um alle zu heilen, da alles jetzt aus dem Geleise gebracht ist?«
    Das Mädchen mit den kräftigen Gliedmaßen, dessen fröhliches Gesicht vor Gesundheit strotzte, breitete die Arme aus, als wolle es die Heilung in alle vier Himmelsrichtungen hinausschleudern.
    »Ja, ja, wir werden die Erde damit vollpfropfen. Aus ist's mit der Nervosität!«
    Nach einer Besichtigung des Strandes und nach eingehender Besprechung wegen einer passenden Baustelle, entschied sich Lazare für die Errichtung seiner Fabrik an der Schatzbucht. Alle Bedingungen waren dort vorhanden: eine ungeheure, wie mit platten Felsen gepflasterte Küste, welche das Einsammeln der Algen erleichterte; unmittelbare Fahrverbindung auf der Straße nach Verchemont; billiger Grund und Boden, das Material unter den Händen, eine genügende, aber nicht übermäßige Entfernung. Pauline scherzte über den Namen, den sie der Bucht wegen ihres feinen goldgelben Sandes gegeben hatten: damals glaubten sie nicht den Namen richtig gewählt zu haben, denn einen wahren Schatz wollten sie im Meere finden. Die ersten Schritte gelangen vortrefflich: glücklicher Ankauf von zwanzigtausend Metern öden Landes, Erteilung der behördlichen Bewilligung nach nur zweimonatlichem Warten. Endlich machten sich die Arbeiter an den Bau. Boutigny war angekommen, ein kleiner, roter, sehr gewöhnlicher Mann in den Dreißigern, der den Chanteaus außerordentlich mißfiel. Er hatte sich geweigert, in Bonneville zu wohnen, da er in Verchemont ein sehr bequemes Haus entdeckt hatte; die Kälte der Familie nahm noch zu, als sie erfuhr, daß er dort eine Frauensperson, irgendein gefallenes Mädchen untergebracht hatte, das er zweifelsohne aus einem verrufenen Pariser Hause mitgenommen. Lazare zuckte, über die kleinstädtischen Anschauungen aufgebracht, die Achseln. Sie war sehr liebenswürdig, diese Frau,

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