Die Lebensfreude
eine Blondine, und mußte voller Hingabe sein, wenn sie sich entschloß, sich in dieses Wolfsloch zu vergraben; im übrigen ging er Paulinens wegen nicht weiter darauf ein. Was man mit einem Worte von Boutigny erwartete, war eine tätige Überwachung, eine kluge Ordnung der Arbeit. Darin war er wirklich wunderbar, den ganzen Tag auf den Beinen, entflammt von seinem Verwaltungsgenie. Unter seiner Leitung wuchsen die Mauern im Umsehen empor.
Nun wurde während vier Monaten, solange die Arbeiten zur Aufrichtung des Gebäudes, zur Aufstellung der Apparate dauerten, die »Schatzfabrik«, wie man sie schließlich nannte, das Ziel der täglichen Spaziergänge. Frau Chanteau begleitete die Kinder nicht immer; Lazare und Pauline nahmen ihre Ausflüge von früher auf. Nur Mathieu folgte ihnen; schnell ermüdet und seine dicken Pfoten nachschleppend, ruhte er dort unten mit heraushängender Zunge und mit dem wie ein Schmiedeblasebalg keuchenden Atem aus. Er war auch der einzige, der noch badete; er stürzte sich in das Meer, wenn man einen Stock hineinschleuderte, den er klugerweise gegen die Woge apportierte, um kein Salzwasser zu schlucken. Bei jedem Besuche trieb Lazare die Unternehmer zur Eile an, während Pauline einige praktische Bemerkungen wagte, die zuweilen sehr richtig waren. Er hatte die Apparate nach von ihm gemachten Zeichnungen in Caen anfertigen lassen müssen. Jetzt waren Arbeiter gekommen, um sie aufzustellen. Boutigny begann unruhig zu werden, da er die Bauanschläge fortwährend zunehmen sah. Warum sich nicht erst mit den dringend notwendigen Arbeitssälen, den unerläßlichen Maschinen begnügen? Warum diese verwickelten Baulichkeiten, diese ungeheuren Apparate angesichts eines Betriebes, den nach und nach auszudehnen weiser gewesen wäre, sobald sich erst eine genaue Berechnung der Bedingungen der Fabrikation und des Verkaufes ermöglichen ließen. Lazare brauste auf. Er sah alles in unermeßlichen Größen, er hätte dem Schuppen am liebsten eine monumentale Gestaltung gegeben, die das Meer beherrschte, und so vor dem grenzenlosen Horizont die Größe seines Gedankens entrollte. Der Besuch endete mit neuen Hoffnungen: warum knausern, wenn man das Glück in der Hand hatte? Die Heimkehr gestaltete sich sehr heiter, man erinnerte sich Mathieus, der fortwährend zurückblieb. Pauline versteckte sich plötzlich mit Lazare hinter einer Mauer, und beide ergötzten sich wie die Kinder, wenn der Hund plötzlich bemerkte, daß er sich allein befand, sich verirrt glaubte und in komischer Bestürzung umherlief.
Abend für Abend wurden sie daheim mit der nämlichen Frage empfangen.
»Nun? Geht es gut, seid ihr zufrieden?«
»Ja, ja, aber sie werden nie fertig damit.«
Das waren Monate vollständiger Vertraulichkeit. Lazare bewies eine lebhafte Zuneigung für Pauline, in die sich die Dankbarkeit für das in sein Unternehmen gesteckte Geld mischte. Nach und nach verschwand das Weib wieder, er lebte neben ihr wie in Gesellschaft eines Jungen, eines jüngeren Bruders, dessen gute Eigenschaften ihn täglich mehr rührten. Sie war so vernünftig, hatte einen so schönen Mut, eine so lachende Güte, daß sie ihm schließlich eine uneingestandene Achtung, eine stumme Ehrfurcht einflößte, gegen die er sich noch durch Neckereien wahrte. Sie hatte ihm ruhig von der Lektüre und dem Entsetzen der Tante beim Anblick der anatomischen Tafeln erzählt; und er hatte diesem schon wissenden Mädchen mit seinen großen, klaren Augen einen Augenblick überrascht, verlegen gegenübergestanden. In der Folge wurden ihre Beziehungen noch inniger, er gewöhnte sich, wenn sie ihm bei ihren gemeinsamen Studien half, ganz frei zu sprechen, in vollkommener wissenschaftlicher Einfachheit, unter Anwendung des eigentlichen Wortes, als gebe es kein anderes. Auch sie ging, ohne anscheinend etwas anderes darin zu suchen, als das Vergnügen zu lernen und ihm nützlich zu sein, auf alle Fragen ein. Aber sie belustigte ihn oft durch ihre lückenhafte Bildung, durch dieses außergewöhnliche Gemisch sich gegenseitig bekämpfender Kenntnisse: es waren die Unterlehrerinanschauungen ihrer Tante, der Gang der Welt, auf die Schamhaftigkeit der Erziehungsanstalten eingeschränkt, dann die von ihr in den medizinischen Werken gelesenen genauen Tatsachen, die physiologischen Wahrheiten über den Mann und das Weib. Wenn sie etwas Einfältiges sagte, lachte er so herzlich, daß sie zornig wurde: sei es nicht besser, statt zu lachen, ihr den Irrtum zu benehmen?
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