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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude
Autoren: Emil Zola
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töten. Die Beweisführung eines schnellen Reichtums beschloß alle seine Briefe, in denen er außerdem seine Familie mit dem Versprechen zu blenden suchte, sie nicht mehr zu verlassen und sich seine Fabrik dort unten bei Bonneville einzurichten.
    Monate vergingen. Lazare war nicht zu den Ferien gekommen. Den ganzen Winter hindurch setzte er derart auf engbeschriebenen Seiten, die Frau Chanteau abends nach der Mahlzeit laut vorlas, sein Vorhaben haarklein auseinander. An einem Abend im Mai fand eine große Beratung statt, da er eine entscheidende Antwort verlangte. Veronika schlich umher, nahm das Tischtuch ab und legte die Decke auf.
    »Er ist seinem Großvater aus den Augen geschnitten, unfertig und unternehmend wie jener«, sagte die Mutter und warf einen Blick auf das Meisterwerk des alten Zimmermannes, das auf dem Kamine stehend ihr ein Gegenstand ewigen Ärgernisses war.
    »Gewiß von mir, der ein Grauen vor jedweder Veränderung empfindet, hat er es nicht«, brummte Chanteau, in seinem Lehnstuhl ausgestreckt, in dem er soeben einen Anfall überstand, zwischen einem Gestöhn und dem andern. »Aber von dir, meine Liebe, denn du bist auch nicht gerade sehr ruhig.«
    Sie zuckte die Achseln, als wolle sie damit zu verstehen geben, daß ihre Tätigkeit von der Logik unterstützt und geregelt sei. Dann erwiderte sie langsam:
    »Was wollt ihr schließlich? Man muß ihm schreiben, er möge nach seinem Kopfe handeln ... Ich hätte ihn lieber in der Justiz gesehen; ein Arzt hat ohnehin schon keinen sehr sauberen Beruf; und nun ist er Apotheker ... Er mag zurückkommen und viel Geld verdienen, das ist immer schon etwas.«
    Im Grunde war es der Gedanke an das Geld, der sie bestimmte. Die Anbetung für ihren Sohn formte sich zu einem neuen Traum. Sie sah ihn sehr reich geworden, als Besitzer eines Hauses in Caen, als Generalrat, vielleicht Abgeordneter. Chanteau hatte keine Meinung, er gab sich nur mit seinen Leiden ab und überließ seiner Frau die höhere Sorge für die Interessen der Familie. Pauline war trotz ihrer Überraschung und der stummen Mißbilligung dieses fortwährenden Wechsels in den Plänen ihres Vetters der Meinung, man solle ihn heimkommen und seine große Unternehmung versuchen lassen.
    »Wenigstens leben wir alle beisammen«, sagte sie.
    »Und dann, was kann Herr Lazare wohl in Paris Gutes tun!« erlaubte sich Veronika einzuwerfen. »Es ist besser, er pflegt seinen Magen ein bißchen bei uns.«
    Frau Chanteau stimmte mit dem Kopfe bei. Sie nahm den am Morgen erhaltenen Brief wieder vor.
    »Wartet, er bespricht auch die finanzielle Seite des Unternehmens.«
    Sie las vor und machte dazu ihre Bemerkungen. Zur Einrichtung der kleinen chemischen Fabrik seien so an sechzigtausend Franken nötig. Lazare war in Paris einem alten Kameraden aus Caen, dem dicken Boutigny, wieder begegnet, welcher das lateinische Studium im vierten Jahre aufgegeben hatte und jetzt mit Weinen handelte. Boutigny war von dem Vorhaben begeistert und bot ihm dreißigtausend Franken: das werde ein ausgezeichneter Teilnehmer sein, ein Verwalter, dessen praktische Fähigkeiten den materiellen Erfolg sicherten. Es brauchten also nur noch dreißigtausend Franken geborgt zu werden, denn Lazare wolle Mitbesitzer zur Hälfte sein.
    »Wie ihr gehört habt,« fuhr Frau Chanteau fort, »bittet er, mich in seinem Namen an Thibaudier zu wenden. Der Gedanke ist gut... Luise ist gerade etwas leidend, ich beabsichtige, sie für eine Woche zu uns zu nehmen, so daß ich Gelegenheit habe, mit ihrem Vater zu sprechen.«
    Paulines Augen verdunkelten sich, ein krampfhaftes Einklemmen der Lippen verdünnte diese. An der anderen Seite des Tisches stand Veronika, damit beschäftigt, eine Teetasse auszuwischen, und beobachtete sie.
    »Ich habe wohl an etwas anderes gedacht,« murmelte die Tante, »da man aber in der Industrie stets Gefahr läuft, hatte ich es mir ohnehin vorgenommen, nicht davon zu sprechen.«
    Sie wandte sich an das junge Mädchen.
    »Ja, meine Liebe, das wäre etwas, wenn du selbst deinem Vetter die dreißigtausend Franken liehest. Eine vorteilhaftere Anlage würde sich so leicht nicht finden lassen. Dein Geld könnte dir vielleicht fünfundzwanzig Prozent bringen, denn dein Vetter würde dich am Gewinn beteiligen. Es bricht mir das Herz, dieses Vermögen in die Tasche eines anderen fließen zu sehen ... Nur möchte ich nicht, daß du dein Geld auf das Spiel setzest. Das da oben ist ein mir anvertrautes, heiliges Gut, und ich werde es dir
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