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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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trieb ihr Glück auf die Spitze. Nachdem ihr Vetter sie geküßt hatte, konnte er auch Luise umarmen: sie war nicht mehr eifersüchtig.
    Die Mahlzeit verlief sehr angenehm. Chanteau, durch die Drohungen des Doktors in Furcht gesetzt, überschritt beim Essen nicht das Maß. Frau Chanteau und der Pfarrer machten herrliche Pläne für die Vergrößerung von Bonneville, wenn die Spekulation mit den Algen den Ort bereichert habe. Man ging erst um elf Uhr schlafen. Als Lazare und Pauline sich oben vor ihren Zimmern trennten, fragte der junge Mann in scherzendem Tone:
    »Nun, sagt man sich nicht mehr gute Nacht, weil man groß geworden ist?«
    »Aber ja!« rief sie, indem sie sich ihm an den Hals warf und ihn mit dem Ungestüm eines wilden kleinen Mädchens herzhaft auf den Mund küßte.

Drittes Kapitel.
    Zwei Tage später legte eine starke Ebbe die tiefen Felsen bloß. In der Hitze der Leidenschaft, die Lazare zu Anfang jedes neuen Unternehmens mit sich riß, wollte er nicht länger warten und ging mit bloßen Beinen, einen einfachen Leinwandkittel über sein Badekostüm geworfen, fort; Pauline war mit bei der Untersuchung, gleichfalls im Badeanzug, mit starken Schuhen angetan, die sie sich für den Krabbenfang aufhob.
    Als sie einen Kilometer von den Uferfelsen entfernt mitten in einem noch von der zurücktretenden Flut rinnenden Algenfelde angelangt waren, brach die Begeisterung des jungen Mannes los, als habe er diese ungeheure Ernte von Seegräsern, die sie hundertmal miteinander durchschritten hatten, soeben erst entdeckt.
    »Sieh! sieh!« rief er. »Hier ist Ware! Und das läßt man so liegen, und so findet sie sich bis zu hundert Metern Tiefe!« Dann zählte er mit vergnügter Genauigkeit die Arten her: die Tangarten, mit zartem Grün, feinen Haaren vergleichbar, die sich ins Unendliche zu weiten Rasenplätzen ausbreiten; die Seegräser, mit den lattichartigen, breiten Blättern von graugrüner Durchsichtigkeit; die gezahnten Algen, die Blasenalgen; in so ungeheurer Menge, daß sie die Felsen, wie mit einem hohen Moose, bedeckten. In dem Maße, wie sie der Flut folgend niederstiegen, fanden sie Arten von größerem Umfange und fremdartigerem Aussehen, so den Riementang, ganz besonders den Neptungürtel, dieses grünliche Ledergehänge mit ausgezahnten Rändern, das für die Brust eines Riesen zugeschnitten zu sein scheint.
    »Nicht wahr, welch ein verlorener Reichtum!« begann er wieder. »Wie dumm man ist ... In Schottland sind sie wenigstens so klug, das Seegras zu essen. Wir machen aus dem Tang Pflanzenhaar und verpacken unsere Fische in Meergras. Das übrige ist Dünger fraglicher Güte, den man den Bauern der Küsten überläßt ... Wenn man bedenkt, daß die Wissenschaft noch das barbarische Verfahren hat, einige Karren davon zu verbrennen, um Soda daraus zu gewinnen.«
    Pauline, bis zu den Knien im Wasser, fühlte sich glücklich in dieser salzigen Frische. Außerdem interessierten sie die Erklärungen des Vetters ungemein.
    »Du wirst also das alles destillieren?«
    Das Wort »destillieren« erheiterte ihn stark.
    »Ja, destillieren, wenn du willst. Aber die Geschichte ist hübsch verwickelt, wie du sehen wirst, meine Liebe ... Das tut, aber nichts, behalte genau meine Worte im Gedächtnis: man hat die Vegetation der Erde sich dienstbar gemacht, nicht wahr? Wir benutzen und essen Pflanzen und Bäume. Vielleicht wird uns die Eroberung der Meerespflanzen noch mehr bereichern, und zwar an dem Tage, an welchem man sich zu einem Versuche, sie auszunutzen, entschließen wird.«
    Indessen sammelten beide, von Eifer beseelt, die Proben. Sie beluden ihre Arme damit und verloren sich so weit hinaus, daß sie auf dem Rückwege bis an die Schultern naß wurden. Die Erklärungen dauerten fort. Der junge Mann wiederholte Redensarten seines Lehrers Herbelin: das Meer sei ein ungeheurer Behälter chemischer Zusammensetzungen, die Algen arbeiteten für die Industrie, indem sie in ihren Geweben die Salze verdichteten, die das Wasser, in dem sie leben, in geringem Maße enthält. Die Aufgabe bestand darin, diesen Algen auf wirtschaftliche Weise alle nützlichen Zusätze zu entziehen. Er sprach davon, ihnen die Asche und das ungereinigte Soda für den Handel zu entnehmen, sodann Brom, Jodsoda und Pottasche, das Sodasulfat, andere eisen- und magnesiahaltige Salze in gereinigtem Zustande auszuscheiden und zu liefern, so daß von dem Rohstoff keinerlei Abgang übrigblieb. Besonders begeisterte ihn die Hoffnung, dank der von dem

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