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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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förmliche Versprechen gebunden: man könne Bonneville nicht so im Stich lassen, die Verwaltung sei bereit, den Eifer der Bewohner der Gemeinde zu unterstützen. Lazare verzweifelte nur deswegen, weil er Verzögerungen aller Art voraussah, und der geringste Verzug in der Erfüllung seiner Wünsche wurde für ihn eine wahre Folter.
    »Auf Ehrenwort,« rief er, »wenn ich die zwölftausend Franken hätte, würde ich sie am liebsten selbst vorschießen ... Um einen ersten Versuch zu machen, bedarf es nicht einmal dieser Summe. Ihr sollt erst die Verdrießlichkeiten sehen, wenn sie ihre Beisteuer bewilligt haben! Alle Ingenieure des Kreises haben wir dann auf dem Rücken. Wenn wir dagegen ohne sie beginnen, müssen sie gezwungen sich vor den Erfolgen beugen... Ich bin meines Entwurfes sicher. Der Präfekt, dem ich ihn kurz auseinandersetzte, war überrascht von der Billigkeit und Einfachheit der Ausführung.«
    Die Hoffnung auf die Besiegung des Meeres erregte ihn fieberhaft. Er hatte einen Groll gegen die See behalten, seit er sie in der Angelegenheit der Algen heimlich seines Ruins beschuldigte. Wenn er sie auch nicht laut schmähte, so nährte er doch den Gedanken, eines Tages Rache an ihr üben zu können. Gab es eine schönere Hoffnung, als ihr in ihrer blinden Zerstörungswut Einhalt gebieten, ihr als Meister zurufen zu können: »Weiter sollst du nicht gehen!« Außer der Großartigkeit des Kampfes selbst war für dieses Unternehmen auch ein Zug von Menschenliebe bestimmend, der ihn vollends begeisterte. Als seine Mutter ihn mit dem Schnitzen von Holzstücken, die Nase über ein Handbuch der Mechanik gebeugt, seine Tage hatte vertrödeln sehen, rief sie sich zagend den Großvater in die Erinnerung, den unternehmenden und brauseköpfigen Zimmermann, dessen unnützes Meisterwerk in einem Glaskasten ruhte. Wollte der Alte in diesem Jüngling wiederauferstehen, um den Ruin der Familie zu vollenden? Dann hatte sie sich von dem angebeteten Sohn überzeugen lassen. Wenn es ihm glückte, und es mußte ihm ganz selbstverständlich glücken, war das endlich der erste Schritt; eine schöne Tat, ein uneigennütziges Werk, das ihm Ruhm bringen mußte; von hier aus konnte er leicht vorwärtsschreiten, soweit es ihm beliebte, so hoch er dazu den Ehrgeiz fühle. Von jenem Tage an träumte das ganze Haus nur noch von der Demütigung des Meeres, von seiner Fesselung zu Füßen der Terrasse, daß es gehorsam werden solle wie ein geprügelter Hund.
    Der Entwurf war übrigens, wie Lazare sagte, von großer Einfachheit. Er setzte schwere Holzpfähle voraus, die mit Bohlen gedeckt in den Sand gesenkt werden sollten: vor ihnen mußten die von der Flut herbeigeführten Kiesel sich zu einer Art unerschütterlicher Mauer auftürmen, an der sich in der Folge die Wogen brechen würden: das Meer selbst wurde also mit der Erbauung der Schanze beauftragt, die ihm Einhalt gebieten sollte. Schutzdämme, lange Stützbalken auf Dachstuhlsäulen gehoben und als Sturzseebrecher auf eine große Entfernung dienend, sollten vor die Kieselmauer gestellt, das System vervollständigen. Hatte man die notwendigen Mittel, so konnte man auch noch zwei oder drei große Pfahlwerke errichten, mächtige, auf Gebälk gesetzte Täfelungen, deren dichte Massen den Druck der hochgehenden Fluten brechen würden. Lazare hatte die erste Idee im »Handbuch des vollendeten Zimmermannes« gefunden, einem Schmöker mit einfachen Kupferstichen, der zweifellos einstmals vom Großvater erworben war. Er aber vervollständigte diesen Gedanken, stellte beträchtliche Untersuchungen an, studierte die Theorie der Kräfte, die Widerstandsfähigkeit der Materialien: er war vor allem stolz auf eine neue Anordnung und Neigung der Pfähle, die nach seiner Meinung das Gelingen durchaus gewiß machten.
    Pauline hatte sich noch einmal für diese Studien erwärmt. Auch sie belebte gleich dem jungen Manne eine durch Versuche unablässig rege gehaltene Neugier, die sie zu dem Kampfe mit dem Unbekannten aneiferte. Jedoch von kühlem Verstände täuschte sie sich nicht mehr über die möglichen Mißerfolge. Wenn sie das Meer steigen, den festen Boden mit seinem Hohlgange wegfegen sah, richtete sie Blicke des Zweifels auf das von Lazare erbaute Spielzeug, auf die Reihen von Pfählen, Dämmen und Pfahlwerken im kleinen. Das große Zimmer war jetzt damit angefüllt.
    Eines Abends blieb das Mädchen lange am Fenster. Seit zwei Tagen sprach ihr Vetter davon, alles zu verbrennen; eines Abends bei

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