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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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er doch etwas sah. Sobald er an ihrer Seite ein Buch öffnete, drohte ein fortwährendes Gähnen zwischen den einzelnen Seiten des Buches ihn zu ersticken.
    »Lazare,« sagte Pauline ihm eines Tages, »du müßtest an die Luft gehen. Veronika würde mir jetzt genügen.«
    Er weigerte sich heftig. Sie konnte ihn also nicht mehr ertragen, daß sie ihn fortschickte? Wäre das schön, sie so zu verlassen, ohne sie erst vollständig auf die Beine gebracht zu haben? Er beruhigte sich endlich, während sie ihm freundlich zuredete.
    »Du würdest mich doch darum nicht verlassen, wenn du auch ein wenig frische Luft schöpfst ... Gehe am Nachmittag aus. Wir kämen weit, wenn du nun auch krank würdest.«
    Sie hatte aber die Unvorsichtigkeit hinzuzufügen:
    »Ich sehe dich sehr wohl den ganzen Tag gähnen!«
    »Ich gähne?« rief er. »Sage doch lieber gleich, daß ich kein Herz habe ... Wahrhaftig, du lohnst es mir schön!«
    Am nächsten Tage war Pauline geschickter. Sie schützte den lebhaften Wunsch vor, den Bau der Stakete und Palisaden fortgesetzt zu sehen: die Hochfluten der Winterzeit würden bald kommen, die Versuchsgerüste würden fortgespült, wenn man das Verteidigungssystem nicht vervollständige. Aber Lazare hatte bereits seine Begeisterung verloren, Er zeigte sich mit der Zusammenfügung, auf die er gerechnet, unzufrieden; neue Studien waren notwendig, man werde schließlich auch den Anschlag überschreiten, und der Generalrat habe noch keinen Sous bewilligt. Zwei Tage lang mußte sie seine Eigenliebe des Erfinders wecken: könne er damit zufrieden sein, sich vor dem ganzen Orte, der ohnehin bereits lache, vom Meere geschlagen zu sehen? Was das Geld angehe, so werde es zweifellos zurückerstattet, wenn sie es, wie abgemacht, vorschieße. Nach und nach schien Lazare sich wieder zu erwärmen. Er erneuerte seine Pläne, berief den Zimmermeister von Arromanches, mit dem er in seiner Stube bei offener Tür verhandelte, um auf den ersten Ruf herbeieilen zu können.
    »Jetzt«, erklärte er eines Morgens, indem er sie umarmte, »wird uns das Meer auch nicht ein Zündhölzchen mehr zerbrechen; ich bin meiner Sache gewiß ... Sobald du wieder ausgehen kannst, werden wir den Stand der Balkenlagen in Augenschein nehmen.«
    Luise war gerade heraufgekommen, um sich nach Paulinens Befinden zu erkundigen; als diese sie gleichfalls küßte, flüsterte Pauline ihr ins Ohr:
    »Führe ihn hinweg.«
    Lazare weigerte sich anfangs. Er erwartete den Doktor. Aber Luise lachte und wiederholte, daß er zu galant sei, um sie allein zu den Gonin gehen zu lassen, bei denen sie persönlich die nach Caen bestimmten Langusten auswählte. Im Vorübergehen könne er einen Blick auf das Bollwerk tun. »Geh, du würdest mir ein Vergnügen bereiten. Nimm doch seinen Arm, Luise ... So, lasse ihn nicht wieder los.«
    Sie wurde sichtbar heiter; die beiden anderen stießen sich unter Scherzen. Als sie das Zimmer verlassen hatten, wurde sie wieder ernst und beugte sich über den Rand des Bettes, um ihre Schritte und ihr Lachen besser zu hören, das sich langsam auf der Treppe verlor.
    Eine Viertelstunde später erschien Veronika mit dem Arzte. Dann ließ sie sich überhaupt am Krankenbette Paulinens nieder, ohne jedoch ihre Schüsseln zu vernachlässigen, denn alle Augenblicke schlüpfte sie für ein Stündchen zwischen einer Soße und der anderen hinauf. Die Sache ging nicht so leicht. Lazare war am Abend wiedergekommen; aber am nächsten Tage ging er wieder fort. An jedem Tage kürzte er, vom Leben draußen fortgerissen, seine Besuche ab und blieb nur so lange, bis er sich nach allem erkundigt hatte. Übrigens schickte ihn Pauline selbst fort, sowie er nur davon sprach, sich setzen zu wollen. Wenn er mit Luise heimkehrte, zwang sie beide, ihr von ihrem Spaziergange zu erzählen; sie war glücklich über ihre Aufgeräumtheit und die würzige Luft, die sie in ihren Haaren mitbrachten. Sie erschienen ihr wie gute Kameraden, so daß sie keinen Argwohn mehr fühlte. Sobald sie Veronika mit der Arznei in der Hand erblickte, rief sie heiter:
    »Geht nur! Ihr stört mich.«
    Manchmal rief sie Luise zurück, um ihr Lazare wie ein Kind ans Herz zu legen.
    »Sieh, daß er sich nicht langweilt. Er bedarf der Zerstreuung ... Macht einen tüchtigen Spaziergang, ich will euch heute nicht mehr sehen.«
    War sie allein, so schienen ihre starren Augen ihnen von weitem zu folgen. Sie vertrieb sich, in Erwartung der Rückkehr ihrer Kräfte, die Zeit mit Lesen, sie

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