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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Langeweile vergehen müßte ... Und wenn er diese Saufbolde von Arbeitern nur eine Minute unbeaufsichtigt läßt, schlagen sie ihm die Nägel gleich überzwerch in die Bretter.«
    Nachdem sie mit ihrem Besen unter dem Bette umhergefahren war, fuhr sie fort:
    »Was die Herzogin anbelangt ...«
    Pauline, die zerstreut zuhörte, erstaunte über dieses Wort.
    »Wie, die Herzogin?«
    »Fräulein Luise nämlich! Meint man nicht, sie sei aus dem Schenkel Jupiters gekrochen? Wenn Sie in ihrem Zimmer alle die kleinen Dosen, Pomaden, Essenzen sehen könnten! Schon beim Eintritt schnürt es einem die Kehle zu, so riecht das ... Trotzdem ist sie lange nicht so niedlich wie Sie.«
    »Oh! ich bin nur eine Bäuerin«, sagte das Mädchen lächelnd. »Luise ist sehr anmutig.«
    »Möglich, aber sie hat trotzdem kein Fleisch. Ich sehe das, wenn sie sich wäscht. Wenn ich ein Mann wäre, ich würde in meiner Wahl gewiß nicht zögern.«
    Von dem Feuer der Überzeugung fortgerissen, pflanzte sie sich neben Pauline auf.
    »Sehen Sie sich doch einmal jene da auf dem Sande an, eine wahre Krabbe! Natürlich, es ist weit ab, und sie kann von hier aus nicht so breit wie ein Turm erscheinen. Aber schließlich, nach etwas muß man doch wenigstens aussehen ... Ah! da ist ja auch der Herr Lazare, er hebt sie ein wenig, damit sie sich die Schuhe nicht naß macht. Was besonders Kräftiges hat er gerade nicht in seinen Armen. Es gibt freilich Männer, welche die Knochen lieben ...«
    Veronika unterbrach sich jäh, als sie Pauline an ihrer Seite erzittern fühlte. Aber sie kam immer wieder auf diesen Gegenstand zurück, es kitzelte sie sichtlich, mehr darüber zu sagen. Alles was sie jetzt sah und hörte, blieb ihr in der Kehle stecken und würgte sie: die Abendunterhaltungen, während welcher man über das junge Mädchen herzog, das flüchtige Lächeln zwischen Lazare und Luise, die ganze Undankbarkeit dieses zum Verrat hingleitenden Hauses. Wäre sie immer sofort hinaufgegangen, wenn gerade eine starke Ungerechtigkeit ihren ehrlichen Sinn empörte, so würde sie der Genesenden alles wieder erzählt haben; aber die Furcht, diese wieder krank zu machen, bewirkte, daß sie sich damit begnügte, in ihrer Küche umherzutrampeln und die Töpfe zu mißhandeln. Sie schwor dabei, daß dies nicht so weitergehen könne und sie eines schönen Tages losplatzen werde. Sobald ihr jedoch oben ein beunruhigendes Wort entschlüpfte, versuchte sie, es zurückzunehmen und ihm mit rührender Ungeschicklichkeit einen ungefährlichen Sinn zu geben.
    »Gott sei Dank liebt ja Herr Lazare die Knochen nicht. Er ist in Paris gewesen und hat einen zu guten Geschmack ... Sehen Sie, er stellt sie wieder auf die Erde, als werfe er ein Zündhölzchen fort.«
    Veronika schwang in der Furcht, anderes unnützes Zeug zu sagen, den Federbesen, um vollends aufzuräumen, während Pauline, in Gedanken versunken, bis zum Abend das rosafarbene Kleid Luisens und den weißen Kittel Lazares mitten unter den dunkeln Flecken der Arbeiter verfolgte.
    Als sie endlich ganz genesen war, wurde Chanteau von einem heftigen Gichtanfall ergriffen, der das junge Mädchen trotz seiner Schwäche zum Hinabgehen zwang. Als sie zum erstenmal ihr Zimmer verließ, geschah es, um sich an das Schmerzenslager eines Kranken zu setzen. Das Haus war also, wie Frau Chanteau grollend behauptete, das reine Hospital. Seit einigen Tagen verließ ihr Gatte den Liegestuhl nicht mehr. Infolge wiederholter Anfälle wurde sein ganzer Körper ergriffen, das Übel stieg von den Füßen bis in die Knie, dann in die Ellbogen und Hände. Die kleine weiße Perle am Ohr war abgefallen, andere, größere waren zum Vorschein gekommen. Die Gelenke schwollen sämtlich an, die Kreide der Steinbildungen drang unter der Haut in Gestalt von Krebsaugen vergleichbaren Punkten überallhin. Es war jetzt die chronische, unheilbare Gicht, die Gicht, welche die Gelenke steif macht und verunstaltet.
    »Mein Gott! wie ich leide!« wiederholte Chanteau. »Mein linker Fuß ist steif wie Holz; es ist unmöglich, den Fuß oder das Knie zu bewegen ... Mein Ellbogen fängt auch an zu brennen. Sieh doch einmal hin.«
    Pauline stellte am linken Ellenbogen eine sehr entzündete Geschwulst fest. Er klagte besonders über dieses Gelenk, in dem der Schmerz bald unerträglich wurde. Mit ausgestrecktem Arm stöhnte er, ohne die Augen von seiner Hand abzuwenden, eine bemitleidenswerte Hand, mit von Knoten geschwollenen Gliedern und einem wie durch einen Hammerschlag

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