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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Tripel.
    »Sie wird unerträglich. Ich weiß nichts mehr mit ihr anzufangen ... Stelle dir vor, sie will auf der Stelle fort von uns ... Ja, sie packt bereits. Wie wäre es, wenn du hinaufstiegst, wenn du versuchtest, sie zur Vernunft zu bringen.«
    Als sie noch immer keine Antwort erhielt, fügte sie hinzu:
    »Bist du taub?«
    »Ich antworte nicht, weil ich nicht will«, rief plötzlich Veronika außer sich und scheuerte so wütend an einem Leuchter, daß sie sich schier die Finger zerschund. »Sie hat recht, wenn sie geht; an ihrer Stelle hätte ich schon längst Reißaus genommen.«
    Madame Chanteau hörte sie mit offenem Munde, völlig betroffen von diesem überströmenden Redeschwall, an.
    »Ich bin keine Klatschliese, Madame; aber man muß mich nicht reizen, sonst sage ich alles ... Das ist so und nicht anders; an dem Tage, an dem Sie die Kleine brachten, hätte ich diese am liebsten in das Meer werfen mögen; ich kann nur nicht leiden, daß man jemandem Böses antut, und Sie alle quälen sie so, daß ich schließlich eines Tages dem ersten Besten, der sie berührt, einige Kopfnüsse zu kosten gebe ... Ich pfeife darauf, Sie können mir den Dienst kündigen, sie soll dann schöne Dinge erfahren! ... Ja, ja, alles was Sie ihr mit Ihrer Haberei von ehrbaren Leuten angetan haben.
    »Willst du wohl schweigen, Wahnsinnige?« murmelte die alte Dame, beunruhigt durch diesen neuen Auftritt.
    »Nein, ich werde nicht schweigen ... Das wäre zu feige, hören Sie? Es würgt mich schon seit Jahren. War es nicht genug, ihr all ihr Geld zu nehmen? Jetzt zerreißen Sie ihr auch noch das Herz! Ich weiß, was ich weiß, ich habe gesehen, wie alles eingefädelt wurde ... Hören Sie, Herr Lazare hat vielleicht nicht so viel Berechnung, aber mehr ist er auch nicht wert, er würde ihr ebenfalls mit seiner Selbstsucht den Todesstreich geben, bloß um sich nicht zu langweilen ... Ein Elend! Manche sind nur geboren, um von den anderen aufgefressen zu werden!«
    Sie schwang ihren Handleuchter und packte dann eine Schüssel, die unter dem Putzlappen wie eine Trommel erdröhnte. Frau Chanteau überlegte, ob sie die Magd nicht hinauswerfen solle. Es gelang ihr aber, sich zu überwinden und kühl zu fragen:
    »Du willst also nicht mit ihr sprechen? Nur ihretwegen, damit sie keine Dummheiten begeht.«
    Veronika schwieg von neuem. Endlich brummte sie:
    »Ich will nach oben gehen ... Vernunft ist Vernunft, und Verbohrtheiten haben noch nie zu etwas Gutem geführt.«
    Sie nahm sich die Zeit, die Hände zu waschen und ihre unsaubere Schürze abzulegen. Als sie sich endlich entschloß, die Tür nach dem Flur zu öffnen, um die Treppe zu erreichen, drangen fürchterliche Klagelaute in die Küche. Es war das unaufhörliche, entnervende Geschrei des Herrn. Frau Chanteau, die ihr auf dem Fuße folgte, schien von einem Gedanken gepackt und begann mit halblauter, eindringlicher Stimme von neuem:
    »Sage ihr, daß sie den Oheim nicht in diesem Zustande allein lassen kann ... Hast du gehört?«
    »Meinetwegen,« bekannte Veronika ... »er heult ja ordentlich.«
    Sie stieg hinauf, während Frau Chanteau, die den Kopf nach dem Zimmer ihres Mannes hingewendet hatte, sich wohl hütete, dessen Tür zu schließen. Die Klagelaute schwollen in dem Treppenhause an und verdoppelten sich durch den Widerhall der Stockwerke. Oben fand die Magd das Fräulein im Begriff abzureisen. Pauline hatte die notwendigste Wäsche in ein Bündel geknotet und war entschlossen, das übrige am nächsten Tage durch Vater Malivoire holen zu lassen. Sie hatte sich beruhigt, war zwar noch sehr bleich und fassungslos, aber bei kaltem Verstande, ohne den geringsten Zorn zu verspüren.
    »Entweder sie oder ich«, antwortete sie auf alle Worte Veronikas, und vermied es, Luise bei ihrem Namen zu nennen.
    Als Veronika Frau Chanteau diesen Bescheid brachte, befand sich diese gerade in Luisens Zimmer, die sich angekleidet hatte und gleichfalls hartnäckig darauf bestand, sofort wegzugehen; bei dem kleinsten Geräusch an der Tür fuhr sie heftig zitternd zusammen. Da mußte sich Frau Chanteau wohl oder übel ergeben, sie schickte nach Verchemont, um den Wagen des Bäckers kommen zu lassen, und wollte das junge Mädchen in Person zu seiner Tante Leonie begleiten, die in Arromanches wohnte. Dieser würde man schon eine Geschichte weismachen; man konnte ja Chanteaus heftige Anfälle vorschützen, dessen Geschrei unerträglich wurde.
    Nach der Abfahrt der beiden Frauen, die Lazare in den Wagen

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