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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Roheiten erläutert, die das junge errötende Mädchen sehr belustigten. Nach und nach verliebte er sich noch mehr in sie, eine wahre Leidenschaft kam in dieser zornigen Geringschätzung zum Vorschein, er stürzte sich in diese neue zärtliche Neigung mit seiner ersten Begeisterung, immer auf der Jagd nach einem Glück, das immer wieder fehlschlug.
    Lange Zeit war es bei Luise nur ein natürliches Spiel der Gefallsucht gewesen. Sie schwärmte für kleine Zuvorkommenheiten, für in das Ohr geflüsterte Schmeicheleien und für das Umflattertwerden von liebenswürdigen Männern, während sie sofort in unsicherer und trauriger Stimmung war, wenn man sich nicht mit ihr beschäftigte. Ihre jungfräulichen Sinne schlummerten noch, sie blieb noch bei dem Geplauder, den erlaubten Vertraulichkeiten eines unausgesetzten, galanten Hofmachens stehen. Vernachlässigte Lazare sie einen Augenblick, um einen Brief zu schreiben oder in seinen plötzlich, ohne augenscheinliche Veranlassung auftretenden Melancholien zu versinken, Avurde sie so unglücklich, daß sie ihn zu necken und herauszufordern begann, die Gefahr dem Vergessenwerden vorziehend. Später aber, und zwar eines Tages, als der Atem des jungen Mannes wie eine heiße Flamme über ihren zarten Nacken fuhr, war sie doch von der Furcht ergriffen. Sie war durch ihre langen Pensionsjahre hinlänglich unterrichtet, um zu wissen, was ihr drohte, und von diesem Augenblicke an hatte sie in der köstlichen und zugleich bangen Erwartung eines möglichen Unglücks gelebt; nicht daß sie es im geringsten wünschte, noch ernstlich darüber nachdachte, denn sie rechnete sicher damit, ihm zu entschlüpfen, ohne jedoch aufzuhören, sich auszusetzen, so sehr bestand ihr Frauenglück aus diesem Kampfe des Hautkitzels, ihrer Hingabe und ihres Verweigerns.
    Oben, in dem großen Zimmer, fühlten Lazare und Luise noch mehr, wie sie einander angehören. Die mitschuldige Familie schien sie verderben zu wollen, ihn, der unbeschäftigt, krank infolge der Einsamkeit war, und sie, die durch die vertraulichen Einzelheiten, die leidenschaftlichen Auskünfte der Frau Chanteau über ihren Sohn in Verwirrung gebracht worden. Sie flüchteten sich dorthin unter dem Vorwande, das Geschrei des Vaters weniger zu hören, der sich unten in der Gicht wand, und sie lebten dort, ohne ein Buch zu berühren, ohne das Klavier zu öffnen, einzig mit sich selbst beschäftigt und sich mit endlosen Plaudereien betäubend.
    An dem Tage, an dem Chanteaus Anfall seinen Höhepunkt erreicht hatte, erbebte das ganze Haus von seinem Geschrei. Das waren langgezogene, herzzerreißende Klagelaute, dem Geheul eines Tieres vergleichbar, das abgeschlachtet wird. Nach dem in einer nervösen Erbitterung eingenommenen Frühstück flüchtete Frau Chanteau mit den Worten:
    »Ich kann nicht, ich fange sonst auch zu brüllen an. Wenn man nach mir fragt, ich bin in meinem Zimmer und schreibe ... Und du, Lazare, führe Luise schnell in deine Stube. Schließt euch gut ein und versuche sie aufzuheitern; sie hat wahrhaftig viel Vergnügen hier, die arme Luise.«
    Man hörte sie im oberen Stockwerk heftig ihre Tür zuschlagen, während ihr Sohn und Luise noch höher hinaufstiegen.
    Pauline war zu ihrem Oheim zurückgekehrt. Nur sie blieb in ihrem Mitleid für so viel Schmerzen gelassen. Wenn sie auch dort eben nur ausharren konnte, so wollte sie dem Unglücklichen wenigstens die Erleichterung verschaffen, nicht einsam zu dulden. Sie wußte ihn mutiger gegen das Leiden, wenn sie ihn anblickte, selbst ohne ein Wort an ihn zu richten. So saß sie stundenlang an seinem Bette, und es gelang ihr, ihn mit ihren großen teilnehmenden Augen etwas zu beruhigen. Aber an jenem Tage sah er, mit dem Kopf weit über das Rückenpolster und mit dem starr ausgestreckten, vom Schmerze am Ellbogen wie zermalmten Arme sie nicht und schrie stärker, sowie sie sich ihm näherte.
    Gegen vier Uhr suchte Pauline in ihrer Verzweiflung Veronika in der Küche auf, wobei sie die Tür offen ließ. Sie hoffte gleich zurückzukehren.
    »Es müßte trotzdem etwas getan werden«, murmelte sie. »Ich habe Lust, kalte Wasserumschläge zu versuchen. Der Doktor sagt zwar, es sei gefährlich, hätte aber manchmal Erfolg. Ich möchte Leinwand haben.«
    Veronika war in einer unausstehlichen Laune.
    »Leinwand! ... Ich war gerade wegen Waschlappen oben, und man hat mich schön empfangen. Sie wollen, wie es scheint, nicht gestört werden ... Das ist sauber!«
    »Du könntest Lazare danach

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