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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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ihr:
    »Fort! Fort!«
    »Wie? Sie soll aus dem Hause! ... Hast du den Verstand verloren?«
    Da erzählte das Mädchen stammelnd die Geschichte.
    Der Ekel stieß ihr auf, ihrer geraden Natur galt das Geschehene als die schmählichste, unverzeihlichste Handlung; und je mehr sie daran dachte, desto mehr ließ sie sich vom Zorn hinreißen, empört in ihrem Abscheu vor der Lüge, beleidigt in der Aufrichtigkeit ihrer Liebe. Wenn man sich gegeben hatte, so nahm man sich nicht wieder zurück.
    »Fort! Fort! Packe sofort deinen Koffer. Fort.«
    Luise, die in ihrer Verwirrung kein Wort der Verteidigung fand, hatte bereits eine Schieblade geöffnet, um ihr die Hemden zu entnehmen. Frau Chanteau aber ward jetzt ärgerlich.
    »Bleib, Luise! Am Ende bin ich noch die Herrin im Hause? Wer wagt hier zu befehlen, und wer erlaubt sich die Leute fortzuschicken? ... Das ist ja toll; wir sind doch hier nicht in der Halle! ...«
    »Hörst du denn nicht?« schrie Pauline. »Ich habe sie oben mit Lazare ertappt ... Er küßte sie.«
    Die Mutter zuckte die Achseln. All der Groll, der sich in ihr angesammelt hatte, machte sich in einem Worte schmählichen Verdachtes Luft.
    »Sie spielten; was ist dabei Böses! Haben wir etwa die Nase hineingesteckt, als du krank im Bette lagst und er dich pflegte, um zu sehen, was ihr hättet tun können?«
    Die Erregung des jungen Mädchens ließ mit einem Schlage nach. Sie stand unbeweglich, totenblaß da, gepackt von dieser Anschuldigung, die sich gegen sie selbst kehrte. Jetzt wurde sie also gar zur Schuldigen, denn ihre Tante schien abscheuliche Dinge von ihr zu glauben!
    »Was willst du damit sagen?« murmelte sie. »Wenn du dergleichen gedacht, würdest du es in deinem Hause sicherlich nicht geduldet haben.«
    »Ihr seid groß genug! Aber mein Sohn soll sich durch diese unverständige Aufführung nicht zugrunde richten ... Laß die Personen in Frieden, die noch anständige Frauen abgeben können.«
    Pauline verstummte für einen Augenblick. Ihre großen, klaren Augen hefteten sich auf Frau Chanteau, welche die ihrigen abwandte. Dann ging sie auf ihr Zimmer und sagte kurz:
    »Gut, so werde ich gehen.«
    Es trat von neuem ein Schweigen ein, ein beklemmendes Schweigen, welches das Haus zu erdrücken schien. Durch diese plötzlich eingetretene Ruhe schallte wieder das Gejammer des Oheims, wie die Klage eines sterbenden, verlassenen Tieres. Es schwoll ohne Unterlaß an und übertönte schließlich die anderen Geräusche.
    Frau Chanteau bereute jetzt, daß ihr diese Verdächtigung entschlüpft war. Sie fühlte den unaustilgbaren Schimpf und verspürte ein Unbehagen bei dem Gedanken, Pauline könne ihre Drohung einer sofortigen Abreise wahr machen. Einem solchen Kopfe waren alle Absonderlichkeiten möglich; was würde man von ihr und ihrem Manne sagen, wenn ihr Mündel auf den Straßen herumlief und die Geschichte ihres Bruches zum Besten gab? Vielleicht flüchtete sie gar zu Doktor Cazenove, was einen entsetzlichen Skandal in der ganzen Umgegend abgeben würde. Auf dem Grunde dieser Verlegenheit der Frau Chanteau schlummerte auch das Entsetzen vor der Vergangenheit, die Furcht wegen des verlorenen Geldes, die sich jetzt gegen sie wenden konnte.
    »Weine nicht, Luisette«, wiederholte sie, und der Zorn packte sie wieder. »Du siehst, in welcher schönen Lage wir uns durch ihre Schuld befinden. Immer und immer wieder heftige Auftritte; unmöglich ruhig zu leben! ... Ich werde versuchen, die Geschichte ins reine zu bringen.«
    »Ich flehe euch an, laßt mich gehen«, unterbrach sie Luise. »Ich würde zuviel leiden, wenn ich bliebe ... Sie hat recht, ich will fortgehen.«
    »Auf alle Fälle nicht heute abend. Ich muß dich selbst zu deinem Vater bringen ... Warte, ich will hinaufsteigen und sehen, ob sie wirklich ihren Koffer packt.«
    Frau Chanteau horchte leise an Paulinens Tür. Sie hörte sie eilig hin- und hergehen, Kästen öffnen und schließen. Ihr erster Gedanke war, hineinzugehen und eine Auseinandersetzung herbeizuführen, die alles in Tränen ertränken werde. Aber sie fürchtete sich, sie fühlte, wie sie vor diesem Kinde stammeln und erröten werde, und das erhöhte ihren Haß nur. Statt anzuklopfen, stieg sie, das Geräusch ihrer Schritte dämpfend, in die Küche hinunter. Ihr war ein neuer Gedanke gekommen.
    »Hast du den Auftritt gehört, den uns das Fräulein soeben gemacht hat?« fragte sie Veronika, die wütend an ihrem Kupfer scheuerte.
    Die Magd antwortete nicht und ließ die Nase in dem

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