Die Lebenskünstlerin (German Edition)
bedingt, mit dem alkoholkranken Vater, wollte er unbedingt Geld verdienen und keinesfalls sein Abitur machen oder gar studieren. Es folgten unendlich viele Gespräche, auch mit Lehrern, älteren Schülern, Freunden. Alles half nichts.
Er beharrte felsenfest darauf, dass er in der Schule unglücklich wäre. Schließlich würde ich doch immer behaupten, Zufriedenheit und Glück seien das Wichtigste im Leben. Ich solle ihm vertrauen, er möchte sein Glück selbst definieren und finden. Ich gab mich damals geschlagen, ohne das Thema jemals wieder aufzurollen. Konsequent unterstützte ich ihn in dem, was er für sich gewählt hat.
Heute habe ich die Bestätigung, dass es richtig gewesen ist, ihm zu vertrauen. Hätte ich meinem Sohn eine Lebensform aufgedrückt, die er nicht wollte, wäre solch eine Zufriedenheit kaum möglich gewesen.
Alles hat einen tieferen Sinn. So heißt es doch, vielleicht stimmt es sogar.
Der Fleischfarbene mit dem Saugnapf
Konrad hat erneut einen Karton vor meine Wohnungstür auf die Fußmatte gestellt. Genervt kicke ich diesen mit den Füßen in meinen Flur und lasse das braune Ungestüm den halben Tag dort stehen. Irgendwann packt mich dann doch die Neugier und so reiße ich mühsam die vielen Klebestreifen ab, um endlich den Inhalt zu inspizieren.
Obenauf liegt mit seiner unverkennbaren steilen Handschrift ein dicker Brief. Geliebte Selina lese ich und lege ihn vorerst beiseite.
Eine kleine Schachtel, eingewickelt in hässlichem Geschenkpapier mit grünlichen Steifen und blauen Punkten, nehme ich mir zuerst vor.
Gespannt reiße ich das Papier ab. Der spinnt. Einen Dildo und auch noch für den Arsch. Was soll das? Mit Saugnapf.
Ich stehe auf und knalle mit Schmackes dieses dicke, lange Ding auf die Badezimmertür auf Augenhöhe. Fleischfarben. Schwarz wäre wohl besser gewesen.
Gut, was hat das Päckchen außer unendlich vielem Füllmaterial noch zu bieten? Ein goldfarbener Behälter mit Schleife. Reizwäsche oder wieder Sexspielzeug? Die Schleife schneide ich durch. Der Deckel fliegt gleich herunter. Ein Fotoalbum. Der Einband ist mit großen roten Herzen versehen.
Genervt blättere ich durch die vielen Seiten. Alle Aufnahmen von mir, ihm und uns als Paar hat er hier zusammengetragen und das allerschlimmste: Er hat jedes Foto noch kommentiert.
Ohne groß darüber nachzudenken fange ich sofort an, dieses Album auseinander zu nehmen.
Mich interessieren seine behämmerten Kommentare überhaupt nicht. Lässt sich schwer zerreißen das blöde Ding. Der ganze Flur ist voll mit seinem Müll. Wütend wühle ich nach weiteren Inhalten des Pakets.
Süßkram. Und dazu noch Zeug, welches ich absolut nicht mag. Hatte er bestimmt noch zu Hause rumfliegen und hier zum Entsorgen als Füllmaterial reingestopft.
Schließlich reiße ich widerwillig und angeekelt den Umschlag seines Geliebte-Selina -Briefes auf.
Schmalz. Schleim. Er winselt, dass ich ihm noch mal eine Chance geben soll. Kotzen könnt ich, wenn ich diesen Satz höre. Dann wird er obszön und bezieht sich auf den fleischfarbenen Dildo, der jetzt an meiner Badezimmertür klebt. Schnell überfliege ich die genau zwanzig Seiten, alle schön durchnummeriert mit hellblauer Tinte auf mehr als 80-Gramm-Papier mit Wasserzeichen. DIN A 4. Beidseitig steil beschriftet.
Es klingelt. Der Wasserableser kündigt sich durch die Sprechanlage an. Ich stopfe den herumliegenden Mist hastig in die braune Kiste und drücke die Haustüre auf. Ein großer netter Bursche, solariengebräunt mit Klemmbrett unterm Arm kommt in meine Wohnung, um die Wasseruhr im Badezimmer abzulesen.
Bewegungslos bleibt er vor der betreffenden Tür stehen und fragt verdattert, ob er eintreten dürfe. Klar dürfe er, die Wasseruhr ist doch im Bad. Er stottert etwas, das ich nicht verstehe. Irritiert blicke ich ihm nach, als er im Badezimmer verschwindet.
O, der dicke, fette Dildo, den ich vorhin da dran geklatscht habe, der hat ihn geschockt.
Ärgerlich und voller Scham möchte ich das blöde Ding von der Tür reißen, um es kommentarlos verschwinden zu lassen. Der hängt aber saumäßig fest und ich ziehe wie verrückt, doch er bleibt einfach kleben.
Der junge Wasserableser ist inzwischen fertig mit seiner Arbeit und sieht mich mit erstauten und anschließend mit interessierten Augen an, während ich völlig aufgelöst und verzweifelt am hautfarbenem Arschdildo mit zwei Händen zerre.
„Entschuldigung.“ Mehr bringe ich nicht raus. Meine Güte, wie
Weitere Kostenlose Bücher