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Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Titel: Die Lebenskünstlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute R. Albrecht
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oder Schornstein klammern und fest die Augen zupetzen, bis mich einer rettet. Am Besten ein schmucker Prinz.
    Begeistert berichtet er von den weiteren Vorteilen seines Berufs: „Trotz meiner recht hellen Haut war ich zu jener Zeit immer schön gebräunt und habe beachtliche Muskeln bekommen.“
    Pizzamampfend präsentiert er seinen Oberarm mit angespanntem Bizeps.
    „Als dreijähriger Knilch bist du mit Schnuller im Mund den Straßenlaternenmast hinauf geklettert und hast ein regelrechtes Verkehrschaos angerichtet“, bestätige ich seinen Mut und seine Schwindelfreiheit, „da habe ich zweifellos meine erste Falte abbekommen.“
    Jan spült einen großen Pizzahappen runter, lacht über die bestimmt schon hunderttausend Mal erzählte Geschichte und fängt an, über seine jetzige Tätigkeit als Rettungssanitäter zu erzählen.
    „Durch den Zivildienst bin ich ja fast widerwillig zu diesem Verein gekommen. Aber das war das Beste, was mir passieren konnte“, bekräftigt er mit vollem Munde.
    Ich hatte meinen Söhnen durchaus Tischmanieren beigebracht, überlege ich. Egal. Wichtig ist, dass sie zufrieden sind.
    So wie ich hier im Sessel hänge, diene ich sicherlich auch nicht als Vorbild für ein neues Kniggebuch. Was denke ich denn über so einen nichtigen Kram nach?
    „Wieso ist es das Beste für dich“, hake ich nach. Er bekommt den gleichen Glanz in seinen Augen, die gleiche Begeisterung in der Stimme wie sein Bruder. Wie Elena. Wie Ben.
    „Mit Blaulicht durch die Stadt zu düsen, absolut genial.“ Er lacht herzerfrischend. „Nein, nicht nur deswegen. Meine Arbeit hat einen richtigen Sinn. Der Zusammenhalt unter meinen Kollegen, das ist für mich wie eine Familie. Da setzt sich Jeder für Jeden ein. Die Verantwortung, die mir anvertraut wird, macht mich stolz. Wenn ich zum Beispiel Patienten transportiere und sie vielleicht für kurze Zeit mit einem fröhlichen Gespräch von ihrem Leid ablenken kann, dieses Gefühl ist unbezahlbar und unbeschreiblich.“ Mein Sohn hat tatsächlich ein soziales Herz. Ich bin stolz.
    „Glücklicherweise habe ich keine Berührungsängste“, berichtet er weiterhin und bringt auch gleich ein Beispiel für seine Feststellung: „Jonas, ein Patient in meinem Alter, dem fehlen beide Arme und Beine. Den hebe ich auf meinen Arm und gehe mit ihm ab und an einen Döner beim Türken essen. Mit dem habe ich mich sogar angefreundet. Der ist immer so happy, wenn ich mit ihm unterwegs bin.“
     
    Nach Berührungsängsten klingt das freilich nicht. Schön, wenn er so anschaulich von seiner Tätigkeit erzählt.
    „Nicht zu vergessen sind die zusätzlichen Qualifikationen, die ich mir in Ausbildungsseminaren aneignen kann. Aufstiegchancen ohne Ende. Und soviel Spaß mit meinen Kumpels trotz, oder gerade weil wir soviel Leid und Elend sehen. Bei Autobahnunfällen etwa, wenn wir Verletzte versorgen und manchmal sogar Tode oder Leichenteile bergen müssen.“
    Mich fröstelt, aber ich bin überaus stolz auf diesen jungen Mann, meinen Sohn.
    „Dies alles hat meinem Leben erst einen tieferen Sinn gegeben. Ich bin achtsamer geworden, nicht mehr so waghalsig wie in früheren Jahren.“ Die letzten beiden Sätze kommen nachdenklich aus seinem Mund, aus seinem Herzen. Ich bin tief beeindruckt von seiner anschaulichen Schilderung über den Sinn seiner Tätigkeit.
    Lachend fügt er hinzu, wie stolz er sei, diese Uniform tragen zu können: „Wenn ich damit nach dem Einkauf an der Kasse stehe, werde ich immer, absolut immer, von den anderen Kunden vorgelassen und mit Hochachtung angesehen.“
    Es scheint, als hätten meine Söhne ihr Glück in ihren Berufen gefunden. Auch wenn die eigene Mutter keinen blassen Schimmer hat, wie es in ihrem Leben weiter gehen soll.
    Spät am Abend verabschieden wir uns mit einer liebevollen Umarmung.
„Ich bin stolz auf dich und deinen Bruder“ rufe ich ihm hinterher. Er winkt mir noch mal zu und ich schließe nachdenklich meine Wohnungstür.
     
    Meine Berufung, das sind meine Kinder gewesen. Mit ihnen zu knuddeln, zu spielen und ihnen fantasievolle Geschichten zu erzählen, das hat mich erfüllt und glücklich gemacht. Sie sollten ihren Weg finden und meine Aufgabe ist gewesen, ihnen dabei zu helfen und sie zu unterstützen und letztlich auch ihre kleinen Seelen zu schützen. Das war das Wichtigste in meinem Leben. Jobs habe ich gemacht, um Geld zu verdienen. Mehr nicht.
    An ein Leben nach meiner Mutterzeit habe ich nie gedacht. Wenigstens konnte ich sie

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