Die Lebenskünstlerin (German Edition)
kann ich ins Wohnzimmer hängen. Und den massiven Kirschholzschreibtisch mit den wuchtigen Messingbeschlägen in die Mitte des Raumes stellen.
Kein Mann, der mein riesiges rotsamtenes Sofa mit Metallgestänge und Messingkugeln unmöglich findet.
Doch mein Schmerz sitzt tief, da nützt es auch nichts, dass ich mein Tagebuch Seite um Seite fülle und das Ganze mit bitteren Tränen garniere.
Ich bin alleine. Das erste Mal in meinem erwachsenen Leben wirklich ganz alleine. Diese Situation habe ich bisher erfolgreich vermieden. Zwar fühlte ich mich oft schrecklich alleine, aber jetzt bin ich es definitiv.
Dagegen muss ich endlich was tun. Mein Schmerz ist so übermächtig, dass er mich zu beherrschen droht. Es muss doch irgendwie möglich sein, Abhilfe zu schaffen. Ich brauche dringend Arbeit, um mir meinen Lebensunterhalt zu sichern, stelle ich sachlich fest. Und eventuell ein paar neue Männerbekanntschaften, die mich von meinem Elend ablenken?
Meine wenigen Freundinnen habe ich inzwischen über meine neue Situation aufgeklärt. Sie reagieren erstaunt, aber erleichtert, als sie hören, dass ich mich endlich von Konrad getrennt habe.
Abermals frage ich mich: Selina, hast du dich wirklich von ihm getrennt? Meine Gedanken sind ständig bei ihm. Warum ist alles nur so schwierig?
Seine unzähligen Kurznachrichten per Handy lasse ich größtenteils unbeantwortet. Tausend Erklärungsversuche für sein Verhalten. Selbst mein E-Mail-Eingang ist voll davon. Manchmal schreibe ich vage und abweisend zurück. Lasse ihn aber niemals wissen, wie schlecht es mir geht.
Möglich, dass mir eine Therapie helfen könnte, über diese unglückliche Beziehung hinwegzukommen.
Beharrlich versuche ich daher einen freien Therapieplatz zu erhalten, indem ich bei mehreren psychotherapeutischen Praxen mein Anliegen und meine Telefonnummer hinterlasse. Dabei betone ich verschämt die Dringlichkeit meiner seelischen Situation. Hoffnung auf einen baldigen Therapieanfang gibt man mir nicht. Vermutlich gibt es dringendere oder interessantere Fälle als meinen.
Brötchenmonotonie und wilde Hoffnungen
Interessiert lese ich vor der Bäckerei ein großes orangefarbenes Plakat mit breiten schwarzen Lettern. Dringlichst werden hier Aushilfskräfte gesucht.
Spontan stelle ich mich vor und kann tatsächlich sofort anfangen. Das ist doch mal ein kleiner Erfolg. Obwohl ich eine solche Arbeit noch nie gemacht habe, werde ich mein Bestes versuchen. Der Job wird mich bestimmt von dem ewigen Grübeln ablenken.
Nach ein paar Tagen in der Bäckerei als Verkäuferin kann ich schon eine gewisse Routine für mich verbuchen. Die Arbeit ist monoton und anspruchslos. Trotz, dass ich die Filiale in meiner Schicht mittlerweile alleine betreue, ist die Eintönigkeit kaum zu überbieten.
Aus lauter Verzweiflung pauke ich die Zutatenliste der angebotenen Brötchen- und Brotsorten auswendig, um die ewig gleichen Fragen der Kundschaft nach den Inhaltsstoffen überzeugend beantworten zu können. Die einzigen Abwechslungen bieten die kleinen, belanglosen Plaudereien mit den Gästen, die ihre Frühstückspause an den Bistrotischen verbringen.
Mein Alltag hat nun eine gewisse Struktur. Mit dem geringen Gehalt komme ich ganz passabel über die Runden, zumal ich ja keine Miete aufbringen muss.
Langsam erhole ich mich von den letzten Monaten. Sogar einen baldigen Termin für die erste Therapiestunde habe ich erhalten. Das Leben wirkt wieder lebenswerter.
Bis ER eines Tages vor meiner Theke in der Bäckerei steht. Geschockt und verwirrt bediene ich meinen momentanen Kunden zu Ende. Dann steht Konrad vor mir. Mein Herz macht einen Sprung. Wird doch noch alles gut? Er möchte mich zum Essen einladen. Nennt den Ort und die Uhrzeit. Ich nicke automatisch. Dann geht er wieder. So einfach ist das.
Alles scheint wieder präsent. Der Schmerz, die Hoffnung, das verrückte Chaos in meinem Herzen. In meinem Kopf herrscht eine unüberschaubare Gedankenflut, die es mir gewaltig schwer macht, den restlichen Arbeitstag zu überstehen.
Zuhause rufe ich sofort meine Freundin Elena an, um ihr von dieser Neuigkeit zu berichten.
Sie reagiert eindeutig ernüchternd und ablehnend: „Bist du wahnsinnig, dich wieder mit dem zu treffen“, predigt sie los und ereifert sich lautstark und ungehalten: „Selina, du weißt doch, wie er dir geschadet hat. Mit dem kann eine Beziehung nie funktionieren, das weißt du selbst. Der hat Persönlichkeitsstörungen, da haben auch seine
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