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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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nicht ungenutzt und kann sich dadurch nähren. Lauft nicht davor davon! Ich gebe es zu, es ging sehr schnell, aber eine Wiederbelebung wäre vergeblich gewesen. Seht euch den Jungen doch an!«
    Ich schielte hinter dem Gebüsch hervor auf Pedros leblosen Körper. Der Schädel war zertrümmert, das Gesicht kaum noch zu erkennen. Hirnmasse klebte am Holz der Kiste. Splitter hatten sich überall in sein Fleisch gebohrt. Der Hals einer zerbrochenen Weinflasche steckte in seiner Brust. Da war definitiv nichts mehr zu machen.
    »Begrüßt diese Entwicklung, die unsere Gesellschaft gerade erlebt«, fuhr der Fürst fort. »Kein Tod muss mehr sinnlos sein. Niemand stirbt umsonst, wenn er damit jemand anderem ein Geschenk machen kann.«
    Diese suggestiven Worte mit einer Stimme, die sich in eine sanfte und beruhigende gewandelt hatte, verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Leute beruhigten sich etwas.
    Auch ich kam aus meinem Versteck heraus.
    »Nichtsdestotrotz denke ich, dass dieser Abend nun vorüber ist.« Er lächelte den Gästen zu, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Isabelle, die heulend neben Pedro saß und mit ihren Fäusten den Vampir bearbeitete, damit dieser von ihrem toten Freund abließ, was der aber unbeeindruckt ignorierte. In diesem Moment tat sie mir sehr leid, aber ich konnte nichts für sie tun. Philipp von Bismarck beugte sich zu ihr und zog sie vom Boden hoch.
    »Dieses arme Mädchen hat soeben den Liebsten verloren. Doch er wird weiterleben in meinem Freund. Wie wir alle weiterleben werden nach unserem Tod. Und damit ihr begreift, wie wahr meine Worte sind, wird dieses Mädchen bei mir bleiben als Pfand dafür, dass mein Freund und das Blut des Toten in Ruhe weiterleben dürfen. Wenn irgendjemand die AVEKs ruft, stirbt sie und wird meinem Freund ebenfalls als Nahrung dienen. Wenn ihr versucht, uns irgendetwas anzutun, ebenfalls.« Seine Stimme hatte immer noch diesen sanften, beruhigenden Klang, als würde er einem Kranken sagen, dass er nur eine leichte Grippe und keine todbringende Seuche hatte. So begriffen die meisten, ich inklusive, erst nach und nach, was er damit meinte.
    Als ich es endlich kapierte, hielt ich die Luft an. Im Hintergrund stieß meine Mutter einen Schrei aus. Mein Vater starrte seinen Arbeitgeber entsetzt an.
    »Ihr wird nichts passieren, das verspreche ich, solange ihr euch ruhig verhaltet und mich und meine Leute einfach ignoriert. Das ist alles.« Er lächelte die Leute an. »Ihr könnt nun gehen. Die Party ist vorüber.«
    Mein Mutter rief »Meine Tochter, meine Tochter!« und wollte zu ihr stürzen, doch sie kam nicht zu ihr durch, weil die Gäste nach draußen drängten und sie einfach mitrissen. Auch ich wollte dem Kerl nicht so einfach meine Schwester überlassen, denn obwohl ich sie nicht sonderlich mochte, als Geisel bei einem Psychopathen zu bleiben, das hatte sie dennoch nicht verdient. Doch bevor ich auf die beiden zutreten konnte, hielt mich eine Hand zurück.
    Mein Vater stand neben mir. »Lass sie und mach, was er sagt, ich passe auf sie auf.« Er klang eindringlich und bitterernst.
    »Er wird ihr etwas tun!«, erwiderte ich und wollte mich losreißen. Doch er hielt mich fest.
    »Ich lasse das nicht zu. Vertrau mir.«
    Es fiel mir schwer, einem Mann zu vertrauen, den ich niemals wirklich gekannt und von dem meine Mutter immer behauptet hatte, er sei tot. Was, wenn er tatsächlich ein mieser Schuft war, der seine Familie im Stich gelassen hatte? In seiner Hand lag nun das Leben meiner kleinen Schwester. Allerdings war sie seine leibliche Tochter, womit die Chance, dass er sie wirklich beschützen würde, gar nicht so schlecht stand. Wenn er ihr denn wirklich helfen wollte. Mich hatte er ja auch an den Fürsten verraten. Vorerst blieb mir kaum eine Wahl, als ihm zu vertrauen.
    Philipp von Bismarck hatte mich entdeckt und durchbohrte mich mit seinem Blick. »Willst du auch hierbleiben, Moona?«, fragte er mich.
    »Geh!«, zischte mein Vater. »Verschwinde.«
    Ich gehorchte. »Nein«, sagte ich schnell und lief auf den Ausgang zu, wo sich die Gäste drängten. Als ich mich kurz umdrehte, sah ich, wie meine Schwester langsam begriff, dass sie in den Händen eines Irren gelandet war, und sich strampelnd gegen ihn wehrte. Mein Vater zog sie von dem Fürsten fort, bis sie heulend und sich immer noch sträubend im Haus verschwand. Von Pedros Mutter und Vater war nichts zu sehen.
     

Initiation
     
    Der Rest des Abends und die Nacht blieben der blanke Horror für das ganze

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