Die Legende
in die Nacht.
»Du warst großartig, Rek«, sagte Horeb. »Glaub mir, du kämpfst wie ein alter Kämpe.«
Aber alte Kämpen erstarren nicht vor Angst, dachte Rek.
Er legte ein paar Zweige auf die Flammen. Eine Wolke verbarg den Mond, eine Eule schrie. Reks zitternde Hand schloß sich um seinen Dolch.
Verdammte Dunkelheit, dachte er. Und verflucht seien alle Helden!
Er war eine Zeitlang Soldat gewesen, stationiert in Dros Corteswain, und es hatte ihm Freude gemacht. Dann aber war aus den Sathuli-Scharmützeln ein Grenzkrieg geworden, und die Freude ließ nach. Er hatte sich gut gemacht, war befördert worden. Seine Vorgesetzten hatten ihm gesagt, daß er taktische Begabung besäße.
Aber sie wußten nichts von seinen schlaflosen Nächten. Meine Männer haben mich respektiert, dachte er. Aber das lag daran, daß er vorsichtig war – geradezu übervorsichtig. Er hatte den Dienst quittiert, ehe seine Nerven ihn verraten konnten. »Bist du verrückt, Rek?« hatte Gan Jovi ihn gefragt, als er um Entlassung aus dem Dienst bat. »Der Krieg weitet sich aus. Es kommen noch mehr Truppen, und ein guter Offizier wie du kann mit Sicherheit mit einer Beförderung rechnen. In sechs Monaten führst du mehr als eine Zenturie. Vielleicht bieten sie dir sogar den Adler eines Gan an.«
»Ich weiß das alles, Gan, und glaub mir, es tut mir wirklich leid, die Kampfhandlungen nicht mitzuerleben. Aber es handelt sich um Familienangelegenheiten. Ich würde meine rechte Hand geben, um bleiben zu können, das weißt du.«
»Ja, ich weiß, mein Junge. Und, bei Missael, wir werden dich vermissen. Falls du es dir doch anders überlegst, haben wir hier immer einen Platz für dich frei. Jederzeit. Du bist der geborene Soldat.«
»Ich werde daran denken, Gan. Vielen Dank für deine Hilfe und Ermutigung.«
»Noch eins, Rek«, sagte Gan Jovi, sich in seinem geschnitzten Stuhl zurücklehnend. »Du weißt um die Gerüchte, daß die Nadir sich auf einen Marsch nach Süden vorbereiten?«
»Es gibt immer wieder solche Gerüchte, Gan.«
»Ich weiß, sie kursieren schon seit Jahren. Aber dieser Ulric ist schlau. Er hat die meisten Stämme erobert, und ich glaube, er ist fast soweit.«
»Aber Abalayn hat gerade einen Vertrag mit ihm unterzeichnet«, entgegnete Rek. »Gegenseitiger Friede gegen Handelserleichterungen und finanzielle Unterstützung bei seinen Bauvorhaben.«
»Das meine ich ja, Freund! Ich will nichts gegen Abalayn sagen, er regiert die Drenai seit zwanzig Jahren. Aber man kann einen Wolf nicht dadurch aufhalten, daß man ihn füttert, glaub mir! Jedenfalls … ich will damit sagen, daß Männer wie du schon bald gebraucht werden. Also roste nicht ein.«
Das letzte, was die Drenai jetzt brauchten, war ein Mann, der Angst vor der Dunkelheit hatte. Was sie brauchten, war ein neuer Karnak der Einäugige – eine ganze Schar davon. Einen Grafen aus Bronze. Hunderte wie Druss die Legende. Und selbst wenn dies durch irgendein Wunder eintrat – könnten solche Männer sich gegen die Flut von einer halben Million Stammeskrieger stemmen?
Wer konnte sich eine solche Masse überhaupt vorstellen?
Sie würden über Dros Delnoch hinwegfluten wie ein aufgewühltes Meer, das wußte Rek.
Wenn ich glaubte, daß eine Chance bestünde, würde ich nicht gehen. Sieh den Dingen ins Gesicht, dachte er. Selbst wenn der Sieg gewiß wäre, würdest du die Schlacht meiden.
Wen würde es in hundert Jahren kümmern, ob die Drenai überlebt hatten? Es wäre das gleiche wie beim Skeln-Paß, in Legenden verschleiert und verherrlicht weit über die Wahrheit hinaus.
Krieg!
Fliegen, die sich wie schwarze Flecken auf den Eingeweiden von Männern niederließen, die vor Schmerzen schrien und sich mit blutigen Händen die Leiber zusammenhielten und auf ein Wunder hofften. Hunger, Kälte. Furcht, Krankheit, Wundbrand, Tod!
Krieg für Soldaten.
An dem Tag, an dem er Dros Corteswain verließ, kam einer der Culs zu ihm und reichte ihm nervös ein gutverschnürtes Paket. »Von der Truppe, Dun«, sagte er.
Er hatte es geöffnet, verlegen und sprachlos, und hatte einen blauen Umhang mit einer Adlerschließe aus gehämmerter Bronze gefunden.
»Ich weiß nicht, wie ich euch allen danken soll.«
»Die Männer baten mich zu sagen … nun, es tut uns leid, daß du uns verläßt. Das ist alles, Dun.«
»Mir tut es auch leid, Korvac. Familienangelegenheiten, verstehst du?«
Der Mann hatte genickt. Wahrscheinlich wünschte er, auch Familienangelegenheiten regeln zu
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