Die Legende
darauf, daß sein erschöpfter Körper ihn nicht im Stich ließ, und zog verborgene Kraftreserven aus seiner Kriegerseele. Auch Rek machte sich einen Namen, wenn er sich auch nicht darum scherte. Zweimal hatten seine Berserker-Attacken die Nadir in Angst und Schrecken versetzt und ihre Reihen erschüttert. Orrin kämpfte noch immer mit den Resten von Karnak, die jetzt nur noch achtzehn Mann zählte. Gilad kämpfte zu seiner Rechten und Bregan, der noch immer die eroberte Axt benutzte, zu seiner Linken. Hogun hatte fünfzig seiner Legionssoldaten um sich geschart und hielt sich etwas im Hintergrund, bereit, jederzeit in eine entstandene Bresche zu springen.
Die Tage waren voller Schmerzen und den Schreien der Sterbenden. Und die Liste in der Halle der Toten wurde mit jedem Sonnenaufgang länger. Dun Pinar fiel, die Kehle von einem schartigen Dolch aufgerissen. Bar Britan fand man unter einem Berg von toten Nadir; aus seiner Brust ragte eine zerbrochene Lanze. Der große Antaheim von den Dreißig wurde durch einen Speer in den Rücken getötet. Elicas von der Legion war an einem der Türme umzingelt worden und hatte sich mit lautem Schrei den Nadir entgegengeworfen. Er fiel unter einem Regen von Schwerthieben. Jorak, dem riesigen Gesetzlosen, wurde der Schädel von einer Keule zerschmettert – und sterbend packte er noch zwei Nadir und warf sich mit ihnen über die Brüstung, so daß sie schreiend mit ihm den Tod auf dem schroffen Felsen fanden.
Mitten im Chaos der sausenden Schwerter blieben viele Heldentaten unbemerkt. Ein junger Soldat kämpfte Rücken an Rücken mit Druss und sah, wie ein feindlicher Speerträger auf den alten Mann zielte. Ohne zu überlegen, warf er sich der funkelnden Stahlspitze entgegen und starb qualvoll inmitten der anderen Verwundeten. Ein anderer Soldat, ein Offizier namens Portitac, sprang in eine Bresche nahe dem Torturm und trat auf die Brüstung, wo er die Spitze einer Leiter packte und sich nach vorn warf, so daß die Leiter von der Mauer wegschwenkte. Zwanzig Nadir, die auf der Leiter waren, starben mit ihm auf den Felsen, fünf weitere brachen sich die Glieder. Es gab viele solcher Beispiele der Tapferkeit.
Und immer noch tobte die Schlacht weiter. Rek trug inzwischen eine Narbe, die schräg von der Braue zum Kinn verlief und rot leuchtete. Orrin hatte drei Finger der linken Hand verloren, aber nach nur zwei Tagen hinter den Kampflinien stieß er wieder zu seinen Männern auf der Mauer.
Aus der Hauptstadt in Drenan kam ein endloser Strom von Botschaften:
Haltet aus.
Gebt Wundweber noch etwas Zeit.
Nur noch einen Monat.
Und die Verteidiger wußten, daß sie nicht aushalten konnten.
Doch sie kämpften weiter.
Zweimal versuchten die Nadir einen nächtlichen Angriff, doch beide Male warnte Serbitar die Verteidiger, und die Angreifer büßten bitter für ihren Versuch. Des Nachts waren die Haltegriffe schwierig zu finden, und der lange Kletterweg zu den Wehrgängen barg viele Gefahren. Hunderte von Stammeskriegern starben, ohne mit der Klinge oder einem Pfeil der Drenai in Berührung gekommen zu sein.
Jetzt waren die Nächte still und in mancher Hinsicht so schlimm wie die Tage. Denn der Friede und die Ruhe der monderhellten Dunkelheit bildeten ein seltsames Gegengewicht zu den blutroten Qualen des Sonnenlichts. Die Männer hatten Zeit, an ihre Frauen und Kinder zu denken, von ihren Bauernhöfen zu träumen oder, besonders schlimm, von einer Zukunft, wie sie hätte sein können.
Hogun und Bowman gingen des öfteren nachts zusammen auf der Brustwehr spazieren – der grimmige Legionsgeneral und der geistreiche Gesetzlose. Hogun stellte fest, daß er in Bowmans Gesellschaft den Verlust von Elicas eher vergessen konnte; er konnte sogar wieder lachen. Bowman für seinen Teil fühlte sich dem Gan verwandt, denn auch er besaß eine ernsthafte Seite, wenn er sie auch gut verbergen konnte.
Aber in dieser besonderen Nacht war Bowman in einer eher melancholischen Stimmung; sein Blick ging in die Ferne.
»Was ist los mit dir, Mann?« fragte Hogun.
»Erinnerungen«, antwortete der Bogenschütze, lehnte sich über die Brüstung und betrachtete die Lagerfeuer der Nadir weit unten im Tal.
»Dann müssen sie entweder sehr gut oder sehr schlecht sein, daß sie dich so berühren.«
»Diese sind sehr schlecht, mein Freund. Glaubst du an Götter?«
»Manchmal. Meist dann, wenn ich mit dem Rücken zur Wand stehe und von Feinden umzingelt bin«, erklärte Hogun.
»Ich glaube an die
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