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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Leiter an die Mauer lehnte. Der Pfeil fuhr in seine Schulter, durch die Lederweste, durchbohrte die Lunge und drang in seinen Bauch. Er fiel ohne einen Laut.
    Enterhaken flogen klirrend über die Brüstung.
    »Zurück!« rief Bowman und stürmte über das offene Gelände, über die Brücken und den Feuergraben mit dem ölgetränkten Buschwerk. Taue wurden hinabgelassen, an denen die Bogenschützen rasch emporkletterten. Die ersten Nadir hatten nun Eldibar erklommen. Einen langen Augenblick blieben sie verwirrt stehen, ehe sie die Bogenschützen entdeckten, die sich in Sicherheit brachten. Innerhalb von Minuten hatten sich mehrere tausend Stammeskrieger auf der Mauer versammelt. Sie zogen die Leitern über Eldibar und liefen auf Musif zu. Dann schossen Brandpfeile über das freie Feld und verschwanden in dem ölgetränkten Gestrüpp. Sofort quoll dichter Rauch aus dem Graben, rasch gefolgt von lodernden Flammen, die übermannshoch waren.
    Die Nadir wichen zurück, die Drenai jubelten.
    Der Graben brannte über eine Stunde lang, und die viertausend Mann auf Musif hatten während dieser Zeit Pause. Manche lagen in Gruppen im Gras, andere schlenderten für ein zweites Frühstück zu den drei Kasinos. Viele saßen im Schatten der Brüstungstürme.
    Druss schlenderte zwischen den Soldaten umher, machte hier und dort einen Scherz, nahm ein Stück Brot von dem einen entgegen, eine Apfelsine von einem anderen. Er sah Rek und Virae nahe der Ostklippe sitzen und ging zu ihnen.
    »So weit, so gut!« sagte er und ließ seine massige Gestalt ins Gras sinken. »Sie sind nicht sicher, was sie jetzt machen sollen. Sie hatten Befehl, die Mauer zu nehmen, und das haben sie erreicht.«
    »Was, glaubst du, kommt als nächstes?« fragte Rek.
    »Der alte Bursche selbst«, antwortete Druss. »Er wird kommen. Und er wird reden wollen.«
    »Sollte ich hinuntergehen?« fragte Rek.
    »Besser, ich gehe. Die Nadir kennen mich. ›Todeswanderer‹. Ich bin Teil ihrer Legenden. Sie glauben, ich bin ein alter Gott des Todes, der durch die Welt wandert.«
    »Ich frage mich, ob sie recht haben«, meinte Rek grinsend.
    »Vielleicht. Ich wollte es nie sein, weißt du. Ich wollte nur meine Frau zurück. Hätten Sklavenjäger sie nicht gefangengenommen, wäre ich Bauer geworden. Das ist sicher – obgleich Rowena das bezweifelte. Es gibt Zeiten, da gefällt mir nicht besonders, was ich bin.«
    »Es tut mir leid, Druss. Es war nur ein Scherz«, sagte Rek. »Ich betrachte dich nicht als Todesgott. Du bist ein Mensch und ein Krieger. Aber vor allem ein Mensch.«
    »Das sind nicht nur deine Worte, mein Junge. Sie spiegeln das wider, was ich längst fühle. Ich werde bald sterben … hier in dieser Dros. Und was habe ich in meinem Leben erreicht? Ich habe weder Söhne noch Töchter. Keine lebenden Verwandten … wenige Freunde. Man wird sagen: ›Hier liegt Druss. Er hat vielen das Leben genommen und niemandem das Leben geschenkt.‹«
    »Sie werden viel mehr sagen als das«, widersprach Virae plötzlich. »Sie werden sagen: ›Hier liegt Druss die Legende, der niemals gemein war oder kleinlich oder unnötig grausam. Er war ein Mann, der niemals nachgab, niemals seine Ideale verriet, niemals einen Freund betrog, niemals eine Frau schändete und niemals seine Stärke gegenüber den Schwachen ausnutzte.‹ Sie werden sagen: ›Er hatte keine Söhne, aber viele Frauen konnten mit ihren Kindern ruhiger schlafen, weil sie wußten, daß Druss zu den Drenai stand.‹ Sie werden vieles sagen, Graubart. Viele Generationen lang werden sie es sagen, und schwache Männer werden Stärke finden, wenn sie es hören.«
    »Das wäre schön«, sagte der alte Mann lächelnd.
     
    Der Morgen verging, und die Dros strahlte im warmen Sonnenschein. Einer der Soldaten zog eine Flöte hervor und begann, eine fröhliche Frühlingsmelodie zu spielen, die im Tal widerhallte, ein Lied der Freude in einer Zeit des Todes.
    Gegen Mittag wurden Rek und Druss auf die Brüstung gerufen. Die Nadir hatten sich bis zu Eldibar zurückgezogen, aber mitten auf dem Schlachtfeld saß ein Mann auf einem großen purpurnen Teppich. Er aß Datteln und Käse und trank Wein aus einem goldenen Kelch. Hinter ihm steckte ein Banner im Boden, das einen Wolfsschädel zeigte.
    »Stil hat er auf jeden Fall«, sagte Rek, der den Mann auf der Stelle bewunderte.
    »Ich sollte hinuntergehen, ehe er alles aufgegessen hat«, erklärte Druss. »Wir verlieren das Gesicht, wenn wir warten.«
    »Sei vorsichtig!« bat

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