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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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führte. Hätte der nicht in einem seiner drei Tage währenden Schlafzustände gelegen, hätte der Überfall auf die Karawane verhindert werden können. Reinard hatte mit der Idee gespielt, ihm im Schlaf die Füße abzuhacken, aber Vernunft und Gier hatten sich die Waage gehalten. Der Sprecher war von unschätzbarem Wert. Er war aus seiner Trance erwacht, als Reinard Erliks Leiche ins Lager trug.
    »Siehst du, was geschehen ist, während du geschlafen hast?« hatte Reinard getobt.
    »Du hast acht Männer bei einem mißglückten Überfall verloren, eine Frau hat Erlik erschlagen und noch einen Mann, nachdem sie ihr Pferd getötet hatten«, antwortete der Sprecher. Reinard starrte dem alten Mann scharf in die blicklosen Augenhöhlen.
    »Eine Frau, sagst du?«
    »Ja.«
    »Es wurde noch ein dritter Mann getötet. Was ist mit ihm?«
    »Getötet durch einen Pfeil mitten in die Stirn.«
    »Wer hat geschossen?«
    »Der Mann, der Regnak heißt. Der Wanderer, der gelegentlich hier vorbeikommt.«
    Reinard schüttelte den Kopf. Eine Frau brachte ihm einen Becher Gewürzwein, mit dem er sich auf einem großen Stein an einem flackernden Feuer niederließ. »Das kann nicht sein! Das würde er nicht wagen! Bist du sicher, daß er es war?«
    »Er war es«, antwortete der Sprecher. »Und jetzt muß ich ruhen.«
    »Warte! Wo sind sie jetzt?«
    »Ich werde es herausfinden«, sagte der alte Mann und ging zurück zu seiner Hütte. Reinard rief nach einer Mahlzeit und ließ Grussin kommen. Der Axtkämpfer hockte sich vor ihm auf den Boden.
    »Hast du schon gehört?«
    »Ja. Glaubst du das?« antwortete Grussin.
    »Es ist lächerlich. Aber wann hat der alte Mann sich je geirrt? Werde ich allmählich alt? Wenn eine Krähe wie Rek meine Männer angreifen kann, muß ich doch etwas falsch machen. Dafür werde ich ihn langsam über dem Feuer rösten!«
    »Uns werden die Lebensmittel knapp«, erklärte Grussin.
    »Was?«
    »Die Lebensmittel gehen zu Ende. Es war ein langer Winter, und wir brauchten diese verdammte Karawane.«
    »Es kommen noch mehr Karawanen. Zuerst suchen wir Rek. «
    »Ist es das wert?« fragte Grussin.
    »Ob es das wert ist? Er hat irgendeiner Frau geholfen, meinen Bruder umzubringen. Ich will, daß diese Frau an einen Pfahl gebunden wird und alle Männer ihren Spaß mit ihr haben. Ich will ihr das Fleisch in schmalen Streifen von Kopf bis Fuß von den Knochen schneiden. Und dann können die Hunde sie haben.«
    »Wie du willst.«
    »Du klingst nicht sehr begeistert«, sagte Reinard und schleuderte seinen leeren Teller über das Feuer hinweg.
    »Nein? Nun, vielleicht werde ich langsam alt. Als wir herkamen, schien es einen Grund für das alles zu geben. Aber ich vergesse allmählich, was es war.«
    »Wir sind hergekommen, weil Abalayn und seine räudigen Hunde meinen Hof geplündert und meine Familie umgebracht haben. Und ich werde das nicht vergessen. Du wirst doch wohl nicht langsam weich, oder?«
    Grussin bemerkte das Funkeln in Reinards Augen.
    »Nein, bestimmt nicht. Du bist der Anführer, und was immer du sagst, ist für mich in Ordnung. Wir werden Rek suchen – und die Frau. Warum ruhst du dich jetzt nicht ein wenig aus?«
    »Scheiß auf Ruhe«, brummte Reinard. »Geh schlafen, wenn du mußt. Wir brechen auf, sobald der alte Mann uns gesagt hat, wohin wir müssen.«
    Grussin ging zu seiner Hütte und warf sich auf das mit Farnkraut gefüllte Bett.
    »Hast du Sorgen?« fragte seine Frau Mella, kniete neben ihm nieder und reichte ihm einen Becher Wein.
    »Wie würde es dir gefallen, wenn wir fortgingen?« fragte er und legte ihr seine große Hand auf die Schulter. Sie beugte sich vor und küßte ihn. »Wo du auch hingehst, ich werde mit dir gehen«, sagte sie.
    »Ich habe es satt«, erklärte er. »Ich bin es müde zu töten. Es wird mit jedem Tag sinnloser. Er muß verrückt sein.«
    »Pssst!« wisperte sie wachsam. Sie beugte sich zu seinem bärtigen Gesicht hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Sprich solche Befürchtungen nie aus. Im Frühling können wir heimlich verschwinden. Bleib so lange ruhig und tu, was er von dir verlangt.«
    Er nickte, lächelte und küßte sie aufs Haar. »Du hast recht«, sagte er. »Laß uns schlafen.« Sie rollte sich neben ihm zusammen, und er deckte sie liebevoll zu. »Ich verdiene dich nicht«, sagte er leise, als ihr die Augen zufielen. Wann hatte es angefangen, schiefzugehen? Als sie noch jung und voller Feuer waren, war Reinards Grausamkeit nur gelegentlich ausgebrochen, als ein

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