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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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mehr bewußt, am Leben zu sein, als je zuvor. Ergibt das irgendeinen Sinn?«
    »Nein«, sagte sie sanft. »Eigentlich nicht. Findest du mich wirklich schön?«
    »Du bist die schönste Frau, die je eine Rüstung trug«, erwiderte er lächelnd.
    »Das ist keine Antwort. Warum bin ich schön?«
    »Weil ich dich liebe«, sagte er, erstaunt, wie leicht ihm die Worte über die Lippen gingen.
    »Heißt das, daß du mit mir nach Dros Delnoch kommst?«
    »Erzähl mir noch mal von diesen herrlichen hohen Mauern«, bat er.

5
    Das Klostergelände war in Übungsplätze aufgeteilt, von denen einige gepflastert, einige grasbewachsen waren. Wieder andere waren mit Sand bestreut oder hatten einen trügerisch glitschigen Kiesbelag. Die Abtei selbst stand in der Mitte des Geländes. Es war eine umgebaute Festung aus grauem Stein mit zinnengekrönten Wehrgängen. Vier Mauern und ein Burggraben umgaben die Abtei. Die Mauern waren eine spätere, kriegerische bauliche Erweiterung aus weichem, goldgelbem Sandstein. An der westlichen Mauer wuchsen und blühten, geschützt unter Gras, Blumen auch außerhalb ihrer eigentlichen Blütezeit in dreißig verschiedenen Schattierungen. Es waren ausnahmslos Rosen.
    Der Albino Serbitar kniete vor seinem Stock; sein Geist war eins mit der Pflanze. Er hatte dreizehn Jahre mit der Rose gerungen und verstand sie nun. Es bestand Einvernehmen und Harmonie.
    Sie verströmte ihren Duft für Serbitar allein. Blattläuse schrumpften und starben auf der Rose, wenn Serbitar sie anschaute, und die weiche, seidige Schönheit der Blüten erfüllte seine Sinne wie ein Rauschmittel.
    Es war eine weiße Rose.
    Serbitar setzte sich, schloß die Augen und folgte dem Erwachen neuen Lebens in dem Busch. Er trug volle Rüstung, bestehend aus silbernem Kettenhemd, Schwert mit Scheide und ledernen, mit Silberringen besetzten Beinkleidern. Neben ihm lag ein neuer silberner Helm, der in den Älteren Runen das Zeichen für ›Eins‹ trug. Sein weißes Haar war geflochten. Er hatte grüne Augen – die Farbe der Rosenblätter. Sein schmales Gesicht mit der durchscheinenden Haut über den hohen Wangenknochen besaß die mystische Schönheit des Schwindsüchtigen.
    Er verabschiedete sich und beruhigte sanft die Ängste der Pflanze. Sie kannte ihn, seit ihr erstes Blatt sich entrollt hatte.
    Und jetzt würde er bald sterben.
    Ein lächelndes Gesicht schob sich in seine Gedanken, und Serbitar spürte, daß es Arbedark war. Wir warten auf dich, pulsierte die innere Botschaft.
    Ich komme, antwortete er.
    In der großen Halle war der Tisch gedeckt worden. An jedem der dreißig Plätze standen ein Krug Wasser und ein Gerstenkuchen. Dreißig Männer in voller Rüstung saßen schweigend dort, als Serbitar eintrat und seinen Platz am Kopfende der Tafel einnahm. Er verbeugte sich vor Vintar, dem Abt, der nun zu seiner Rechten saß.
    Schweigend aß die Gesellschaft; jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, jeder ergründete seine Gefühle an diesem Höhepunkt ihrer mehr als dreizehnjährigen Ausbildung.
    Schließlich sprach Serbitar und erfüllte so die rituelle Pflicht des Ordens.
    »Brüder, die Suche ist uns auferlegt worden. Wir, die wir gesucht haben, müssen erlangen, was wir suchen. Ein Bote von Dros Delnoch wird kommen und uns auffordern zu sterben. Was fühlt das Herz der Dreißig in dieser Sache?«
    Alle Augen wandten sich dem schwarzbärtigen Arbedark zu. Er entspannte seinen Geist, gestattete ihren Gefühlen, über ihn hinwegzufluten, wählte Gedanken aus, analysierte sie, schmiedete sie um in ein einigendes Konzept, mit dem sie alle einverstanden waren.
    Dann sprach er. Seine Stimme war tief und volltönend.
    »Das Herz der Sache ist, daß die Kinder der Drenai vor der Auslöschung stehen. Ulric hat die Nadirstämme unter sein Banner geschart. Der erste Angriff auf das Reich der Drenai wird auf Dros Delnoch erfolgen, das Graf Delnar bis zum Herbst halten soll. Abalayn braucht Zeit, um eine Armee zu sammeln und auszubilden.
    Wir nähern uns einem erstarrten Augenblick im Schicksal dieses Erdteils. Das Herz sagt, wir sollten unsere Wahrheit in Dros Delnoch suchen.«
    Serbitar wandte sich an Menahem, einen hakennasigen, dunklen jungen Mann, der sein Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, der mit Silberfäden durchwirkt war. »Und wie sehen die Augen der Dreißig diese Sache?«
    »Gehen wir zu der Dros, wird die Stadt fallen«, sagte Menahem. »Sollten wir uns weigern, wird die Stadt ebenfalls fallen. Unsere Anwesenheit wird

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