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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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»Kein schlechter Bogen, wenn auch ein bißchen zu leicht. Es ist ein alter Kavalleriebogen, nicht wahr? Wir haben in Delnoch auch ein paar. Die modernen bestehen aus Silberstahl. Sie haben eine größere Reichweite und höhere Durchschlagskraft. Ich sterbe vor Hunger.«
    »Geduld steigert den Appetit«, meinte er.
    »Weißt du, ich mag es nicht, Lebewesen in ihrer besten Zeit zu töten. Aber wenn man sie essen kann, dient es einem sinnvollen Zweck.«
    »Dem Kaninchen würde deine Argumentation bestimmt gefallen«, sagte Rek.
    »Können Kaninchen denken?« fragte Virae.
    »Das weiß ich nicht. Ich habe es auch nicht wörtlich gemeint.«
    »Warum hast du es dann gesagt? Du bist ein seltsamer Mann.«
    »Es war nur ein abstrakter Gedanke. Hast du niemals einen abstrakten Gedanken? Fragst du dich nie, woher eine Blume weiß, wann es Zeit zum Wachsen ist? Oder wie ein Lachs den Weg zurück zu seinem Geburtsort findet?«
    »Nein«, antwortete sie. »Ist das Kaninchen gar?«
    »Aber worüber denkst du nach, wenn du nicht gerade planst, Leute umzubringen?«
    »Essen«, erwiderte sie. »Was ist nun mit dem Kaninchen?«
    Rek rollte den Lehmklumpen mit einem Stock aus der Asche und beobachtete, wie er im Schnee zischte. »Und jetzt? Was machst du jetzt?« fragte sie. Er ignorierte sie und nahm einen faustgroßen Stein, den er kräftig gegen die Lehmhülle schlug. Sie brach auf und gab den Blick auf ein halbgares, halbgehäutetes Kaninchen frei.
    »Sieht gut aus«, meinte sie. Er stocherte mit seinem Messer in dem dampfenden Fleisch herum. »Kannst du das essen?« fragte er.
    »Sicher. Kann ich dein Messer haben? Welches Stück möchtest du?«
    »Ich habe noch ein paar Haferkuchen übrig. Ich glaube, das genügt mir. Willst du jetzt endlich etwas anziehen!«
    Sie hatten ihr Lager in einer flachen Einbuchtung unter einem überhängenden Felsen aufgeschlagen – nicht tief genug, um als Höhle bezeichnet zu werden, aber groß genug, um die Hitze des Feuers zurückzustrahlen und den schlimmsten Wind abzuhalten. Rek kaute an seinen Haferkuchen und schaute zu, wie das Mädchen das Kaninchen verschlang. Schließlich warf sie die Reste des Kadavers in die Büsche. »Die Dachse werden sich darüber freuen«, sagte sie. »Keine schlechte Methode, ein Kaninchen zuzubereiten.«
    »Ich bin froh, daß es dir geschmeckt hat.«
    »Du bist nicht gerade ein Waldläufer, was?« fragte sie.
    Rek warf den Rest seines Haferkuchens dem unglücklichen Kaninchen hinterher. »Die Dachse schätzen vielleicht einen Nachtisch«, erklärte er.
    Virae kicherte glücklich.
    »Du bist wunderbar, Rek. Du bist anders als alle Männer, die ich kenne.«
    »Ich glaube nicht, daß mir gefallen wird, was vermutlich als nächstes kommt«, sagte er. »Warum schlafen wir jetzt nicht einfach?«
    »Nein. Hör mir zu. Ich meine es ernst. Mein ganzes Leben habe ich davon geträumt, den richtigen Mann zu finden: groß, friedlich, stark, verständnisvoll. Liebevoll. Ich habe nie geglaubt, daß es ihn wirklich gibt. Die meisten Männer, die ich kennengelernt habe, waren Soldaten – grob, geradeheraus wie Speere und so romantisch wie ein hitziger Bulle. Und ich habe Dichter kennengelernt, sanft in Worten und Taten. Wenn ich mit Soldaten zusammen war, habe ich mich nach Dichtern gesehnt, und wenn ich mit Dichtern zusammen war, nach Soldaten. Ich glaubte schon, den Mann, den ich mir wünschte, könnte es gar nicht geben. Verstehst du?«
    »Du hast dein ganzes Leben nach einem Mann gesucht, der kein Kaninchen kochen kann? Natürlich verstehe ich dich.«
    »Wirklich?« fragte sie sanft.
    »Ja. Aber du kannst es mir trotzdem erklären.«
    »Du bist, was ich mir immer gewünscht habe«, sagte sie errötend. »Du bist mein Helden-Feigling – meine Liebe.«
    »Ich wußte, es würde was kommen, das mir nicht gefällt«, sagte er.
    Als sie noch ein paar Scheite aufs Feuer legte, streckte er seine Hand nach ihr aus. »Setz dich neben mich«, bat er. »Dann ist es wärmer.«
    »Du kannst ein Stück von meiner Decke zu dir rüberziehen«, sagte sie, kam um das Feuer herum in seine Arme und legte ihren Kopf an seine Schulter. »Du hast doch nichts dagegen, daß ich dich meinen Helden-Feigling nenne?«
    »Du kannst zu mir sagen, was du willst«, antwortete er, »solange du immer da bist, um es zu mir zu sagen.«
    »Immer?«
    Der Wind fuhr durch die Flammen, und er schauderte.
    »Immer dauert für uns nicht sehr lange, nicht wahr? Wir haben nur so lange Zeit, wie Dros Delnoch hält.

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