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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Ausnahme von Dros Purdol im Westen und Corteswain im Osten ist es die einzige Route, auf der eine Armee durch das Gebirge gelangen kann. Mein Vater hat die alte Festung umgebaut und zu seinem Heim gemacht. Von den oberen Türmen ist die Aussicht wundervoll. Im Sommer ist die ganze sentrische Ebene im Süden golden vor Getreide. Und nach Norden geht der Blick in unendliche Ferne. Hörst du mir überhaupt zu?«
    »Ja. Goldene Ausblicke. Unendliche Ferne«, sagte er sanft.
    »Bist du sicher, daß du das hören willst?«
    »Ja. Erzähl mir noch mal von den Mauern.«
    »Was willst du wissen?«
    »Wie stark sind sie?«
    »Sie sind bis zu zwanzig Meter hoch, und alle fünfzig Schritt haben sie vorspringende Türme. Jede Armee, die die Dros angreift, würde schreckliche Verluste erleiden.«
    »Was ist mit den Toren?« fragte er. »Eine Mauer ist nur so stark wie die Tore, die sie schützt.«
    »Der Bronzegraf hat daran gedacht. Jedes Tor liegt hinter einem eisernen Fallgitter und besteht aus je einer Bronze-, Eisen- und Eichenschicht. Hinter den Toren befinden sich Tunnel, die in der Mitte schmaler werden, ehe sie auf der Ebene zwischen den Mauern enden. Die ganze Dros wurde wunderschön geplant, nur die Stadt verdirbt alles.«
    »Inwiefern?«
    »Ursprünglich hatte Egel die Lücken zwischen den Mauern als Schlachtfelder ohne Deckungsmöglichkeiten vorgesehen. Sie lagen zur nächsten Mauer hin bergauf, so daß der Angriff von Feinden verlangsamt wurde. Es war auch psychologisch von Vorteil, denn wenn sie zur nächsten Mauer kommen – falls sie es überhaupt schaffen –, wissen sie, daß weitere Schlachtfelder auf sie warten.«
    »Und wie hat die Stadt das verdorben?«
    »Sie wurde immer größer. Jetzt gibt es überall Häuser bis zur sechsten Mauer. Es gibt keine Schlachtfelder mehr. Eigentlich das genaue Gegenteil – jetzt gibt es überall Deckung.«
    Er drehte sich um und küßte sie auf die Stirn. »Wofür war das jetzt?« wollte sie wissen.
    »Muß es denn für etwas sein?«
    »Es gibt für alles einen Grund«, sagte sie.
    Er küßte sie wieder. »Das war für den Bronzegraf«, erklärte er. »Oder für das Nahen des Frühlings. Oder eine vergangene Schneeflocke.«
    »Du redest Unsinn«, meinte sie.
    »Warum hast du mich dich lieben lassen?« fragte er.
    »Was ist denn das für eine Frage?«
    »Warum?«
    »Das geht dich überhaupt nichts an!« rief sie.
    Er lachte und küßte sie noch einmal. »Jawohl, meine Dame. Ganz recht. Geht mich nichts an.«
    »Du machst dich über mich lustig«, klagte sie und bemühte sich aufzustehen.
    »Unsinn«, widersprach er und hielt sie fest. »Du bist schön.«
    »Bin ich nicht. War ich auch nie. Du machst dich wirklich über mich lustig.«
    »Das werde ich niemals tun. Und du bist schön. Und je mehr ich dich ansehe, um so schöner wirst du.«
    »Du bist ein Narr. Laß mich hoch.«
    Er küßte sie wieder und drängte seinen Körper dicht an ihren. Der Kuß dauerte an; sie erwiderte ihn.
    »Erzähl mir mehr von der Dros«, bat er schließlich.
    »Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen. Du neckst mich, Rek. Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich will heute nacht nicht mehr daran denken. Glaubst du an Schicksal?«
    »Ich weiß nicht. Ein bißchen.«
    »Ich meine es ernst. Gestern hätte es mir nichts ausgemacht, nach Hause zu gehen und mich den Nadir zu stellen. Ich habe an die Sache der Drenai geglaubt und war bereit, dafür zu sterben. Gestern hatte ich keine Angst.«
    »Und heute?« fragte er.
    »Wenn du mich heute fragen würdest, würde ich nicht nach Hause gehen.« Sie log, aber sie wußte nicht, warum. Eine Woge der Furcht brandete in ihr auf, als Rek die Augen schloß und sich zurücklehnte. »Doch, du würdest«, sagte er. »Du mußt.«
    »Was ist mit dir?«
    »Es ergibt keinen Sinn«, sagte er.
    »Was ergibt schon einen Sinn?«
    »Ich glaube nicht an das, was ich fühle. Das habe ich nie getan. Ich bin fast dreißig Jahre alt und kenne die Welt.«
    »Wovon redest du überhaupt?«
    »Ich rede von Schicksal. Bestimmung. Ein alter Mann ohne Augen in einem schäbigen blauen Gewand. Ich spreche von Liebe.«
    »Liebe?«
    Er öffnete die Augen, streckte die Hand aus und streichelte ihr Gesicht.
    »Ich kann dir nicht sagen, wieviel es mir bedeutet hat, daß du heute morgen neben mir standest. Es war der Höhepunkt meines Lebens. Nichts sonst spielte noch eine Rolle. Ich konnte den Himmel sehen – er war blauer, als ich es je erlebt habe. Alles war gestochen scharf. Ich war mir

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