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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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lediglich das Unvermeidliche hinauszögern. Sollte der Bote würdig sein, uns um unser Leben zu bitten, dann sollten wir gehen.«
    Serbitar wandte sich an den Abt. »Vintar, was sagt die Seele der Dreißig?«
    Der ältere Mann fuhr sich mit der schlanken Hand durch das schütter werdende graue Haar; dann stand er auf und verbeugte sich vor Serbitar. Er wirkte in seiner Rüstung aus Silber und Bronze seltsam fehl am Platze.
    »Wir werden aufgefordert, Menschen eines anderen Volkes zu töten«, sagte er mit sanfter, fast trauriger Stimme. »Man wird von uns verlangen, sie zu töten, nicht weil sie böse sind, sondern nur, weil ihre Führer das tun wollen, was die Drenai selbst vor sechs Jahrhunderten taten.
    Wir stehen zwischen dem Meer und den Bergen. Das Meer wird uns gegen die Berge schleudern, und so müssen wir sterben. Die Berge werden uns hindern, dem Meer zu entkommen, und so wird uns das Meer an ihnen zerschmettern. Auch dann werden wir sterben. Wir alle hier sind Meister im Umgang mit Waffen. Wir suchen den vollkommenen Tod als Gegenstück zum vollkommenen Leben. Es ist wahr, daß die Aggression der Nadir in der Geschichte nichts Neues darstellt. Aber ihre Taten werden unaussprechliche Schrecken für das Volk der Drenai bedeuten. Mit der Verteidigung dieser Menschen halten wir die Werte unseres Ordens hoch. Daß unsere Verteidigung scheitern wird, ist kein Grund, den Kampf zu meiden. Denn es zählt das Motiv, das rein ist, nicht das Ergebnis. Mit Trauer sagt die Seele, daß wir nach Dros Delnoch reiten müssen.«
    »Also«, sagte Serbitar, »wir sind uns einig. Auch ich empfinde stark in dieser Angelegenheit. Wir sind als Ausgestoßene der Welt in diesen Tempel gekommen, gefürchtet und gemieden. Wir lernten zusammen, um den letzten Widerspruch zu erschaffen. Unsere Körper sollten lebende Waffen werden, um unserem Geist die höchste Friedfertigkeit zu bringen. Krieger-Priester sind wir, wie es die Alten nie waren. In unserem Herzen wird keine Freude sein, wenn wir den Feind töten, denn wir lieben alles Leben.
    Wenn wir sterben, werden unsere Seelen hinauseilen und die Fesseln der Welt überwinden. Alle kleinlichen Eifersüchte, Intrigen und Gehässigkeiten werden wir hinter uns lassen, wenn wir zu der QUELLE reisen. Die Stimme sagt, wir reiten.«
     
    Ein dreiviertel Mond hing am wolkenlosen Nachthimmel und warf die blassen Schatten der Bäume um Reks Lagerfeuer. Ein unglückliches Kaninchen, ausgenommen und in Lehm eingehüllt, lag auf den Kohlen, als Virae vom Fluß zurückkam und sich mit einem von Reks Ersatzhemden den nackten Oberkörper abtrocknete.
    »Wenn du wüßtest, was mich das gekostet hat«, sagte er, als sie sich auf einen Stein am Feuer setzte. Ihr Körper schimmerte golden im Schein der Flammen.
    »Dein Hemd hat noch nie einem besseren Zweck gedient«, meinte sie. »Wie lange dauert es noch, bis das Kaninchen fertig ist?«
    »Nicht mehr lange. Du wirst dir den Tod holen, wenn du bei diesem Wetter weiter halbnackt hier rumsitzt. Mein Blut gefriert zu Eis, wenn ich dich nur ansehe!«
    »Seltsam«, bemerkte sie. »Heute morgen hast du mir noch erklärt, daß dein Blut zu kochen anfängt, wenn du mich nur ansiehst.«
    »Das war in einer warmen Hütte mit einem Bett. Ich habe noch nie viel darum gegeben, im Schnee zu lieben. Hier, ich habe dir eine Decke gewärmt.«
    »Als ich noch ein Kind war«, begann sie und legte sich die Decke um die Schultern, »sind wir immer fünf Kilometer durch die Berge gelaufen, mitten im Winter, nur in Tunika und Sandalen. Das war sehr erfrischend. Und ausgesprochen kalt.«
    »Wenn du so abgehärtet bist, wieso warst du dann blau angelaufen, ehe wir die Hütte fanden?« fragte er. Ein breites Grinsen nahm der Frage den Stachel.
    »Die Rüstung«, antwortete sie. »Zuviel Stahl, nicht genug Wolle darunter. Wenn ich vorn geritten wäre, hätte ich mich nicht so gelangweilt, daß ich eingeschlafen wäre. Wie lange, hast du gesagt, braucht das Kaninchen noch? Ich bin am Verhungern.«
    »Ist gleich fertig. Ich glaube …«
    »Hast du jemals ein Kaninchen so zubereitet?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Aber es ist schon richtig so. Ich habe es bei anderen gesehen. Wenn man den Lehm zerschlägt, geht das Fell mit ab. Es ist ganz leicht.«
    Virae war noch nicht überzeugt. »Ich bin Ewigkeiten hinter dem mageren Biest hergewesen«, sagte sie und erinnerte sich mit Vergnügen daran, daß ein einziger Pfeil aus vierzig Schritt Entfernung genügt hatte, um das Kaninchen zu erlegen.

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