Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
davon überzeugt“, sagte er dann, „Ihre Frau hat bei den Naturalisten gelebt, für Monate. Sie hat jetzt sogar einen bei sich. Nie und nimmer wird sie das Kraftwerk abschalten. Dieser Welt bleibt einzig die Hoffnung, dass sie vor ihrem Anschlag noch Forderungen stellt“
Wie nah seine Frau den Naturalisten noch stand, wusste Wim nicht. Die Wut, die Verbitterung über den Tod ihrer Kinder hatte sie in deren Arme getrieben, ihren Charakter verändert. Doch der Amoklauf des Polizisten war nun schon Jahre her. Wut verraucht mit der Zeit. Sicher trauerte sie noch, so wie er selbst. Aber unter all diesem Leid lag noch jene Frau verborgen, die er einst liebte. Eine tatkräftige, optimistische und warmherzige Frau. Diese Frau würde die Welt nicht einfach so zerstören.
„Sie müssen mich mit ihr sprechen lassen, Georg. Es wird sich alles aufklären“, verlangte Wim Kluge.
„Damit Sie ihr noch Tipps geben können? Sicherstellen, dass sie die richtigen Zielkoordinaten eingibt? Und argumentieren Sie jetzt nicht damit, sich nicht selbst töten zu wollen. Dafür sind Naturalisten bekannt. Sie werden mein Institut nicht noch einmal betreten, Wim. Das Problem mit Ihrer Frau regel ich auf meine Weise“, antwortete Georg Waldberger und brach die Gedankenkommunikation ab.
„Sie wird das Kraftwerk abschalten! Aber dazu braucht sie vielleicht meine Hilfe. Hören Sie, Georg …“
***
Bei den Alten, wie war das möglich. Esrin mit zwei Beinen, ohne Krücke und ohne die roten Pusteln der Sonnenkrankheit in seinem Gesicht. Bisher glaubte Kex nicht an Wunder, doch dies war ganz sicher eines. Nur das schiefe, immer etwas hinterhältig wirkende Grinsen blieb das Gleiche. Es mahnte Kex zur Vorsicht und instinktiv wanderte seine Hand an den Hosenbund. Schließlich hatte auch er sich verändert. Während Kex noch seine nächsten Schritte abwog, schwebte Nomo bereits auf eines der Pulte hinter Esrin zu. Esrins Augen leuchteten auf, er blickte Nomo hinterher, ließ sie jedoch ungehindert passieren. Irgendwie schien er dabei einen inneren Disput auszufechten.
„Deine Erde kannst du selbst retten. Ohnehin weiß die Prinzessin von den Alten nicht viel mehr als ich, welche Gefahr soll von ihr ausgehen? Ich muss hier ein paar Dinge mit einem alten Bekannten klären!“, sagte er dann unvermittelt in den Raum.
Wem seine Worte galten, konnte Kex nicht so recht ausmachen. Eine neue Attitüde an Esrin, vielleicht dem Alter geschuldet. Früher hatte er nie mit sich selbst gesprochen. Dagegen sprach jedoch sein Äußeres, das wesentlich gesünder aussah, als es Kex in Erinnerung hatte.
„Du hast tatsächlich geglaubt, du kommst damit durch“, begann Esrin, „Hast du zugesehen, als sie das Anwesen abbrannten? Als ich ein weiteres, ein endgültiges Mal mit dem Fahrstuhl in die Einöde gefahren bin? Wir hätten das damals regeln können, ein Wort und du hättest die da …“, Esrin machte eine Kopfbewegung in Richtung Nomo und drehte sich dabei beinahe einmal um die eigene Achse, „… bekommen. Ich habe dich wie einen eigenen Sohn aufgezogen und du bedankst dich mit Betrug“
„Ich schulde dir nichts. Wie oft hast du uns um den Lohn unserer Arbeit betrogen? Wenn wir nicht einige Kupferling vor dir versteckt hätten, du hättest uns auch die noch genommen. Und bei Nomos Entführung wären wir in der Einöde beinahe verreckt“, entgegnete Kex.
„Du hast weit mehr als ein paar Kupferlinge versteckt. Ich habe es toleriert, weil ich dich mochte. Weil es zeigte, dass du dein Handwerk verstehst. Aber du bist jung, vieles musst du noch lernen. Eines ist der Respekt vor der Hand, die einen füttert. Machen wir uns nichts vor, diesmal hast du den Bogen überspannt. Und wie ich höre, bist du nicht gewillt, deinen Fehler einzugestehen. Es ist beinahe schade, dass ich meine Krücke nicht mehr habe“, meinte Esrin und ruderte dann auf Kex zu.
Die Bewegung ohne jeglichen Halt war ungewohnt und mühselig, dennoch schaffte es Kex irgendwie, Esrin auszuweichen. Vor allem wohl, weil sich Esrin genauso unbeholfen anstellte wie er. Doch während Esrin auch weiterhin um sein Gleichgewicht kämpfte, gewöhnte sich Kex langsam an das Schweben im Raum. Nach einer Weile neckte er Esrin sogar, was dessen Wut weiter steigerte. Wie früher würde Esrin irgendwann aufgeben. Doch darin täuschte sich Kex. Während er bereits deutlich schnaufte, zeigte Esrin keinerlei Ermüdungserscheinungen. Ein weiterer Punkt also, der sich geändert hatte.
„Was tust
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