Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
fragte sie schließlich, drehte dabei das Gerät vor ihrem Gesicht hin und her.
„Das weiß ich nicht“, entgegnete Jarol.
„Was will Kirai dann damit? Es sieht nicht einmal hübsch aus“, fragte Isi weiter.
„Es ist für den Tempel“, widersprach Jarol.
„Aber Jarol – so ist doch Euer Name, nicht wahr –, ich beobachte Euch schon eine ganze Weile. Kirai nutzt Euch für Botengänge. Der Tempel weiß wahrscheinlich nicht einmal, was Ihr tut. Ihr tragt ja nicht einmal Euer Priestergewand. Wie soll ich Euch da glauben, dass Ihr einen offiziellen Auftrag ausführt? Macht man im Tempel etwa Witze über meine Dummheit?“, fragte Isi ernst.
Jarol schüttelte nur mit dem Kopf.
„Warum wollt Ihr mich dann zum Narren halten, Jarol? Es ist nicht schlimm, wenn Ihr es mir verratet. Ich bin mit Kirai sehr gut befreundet, seine engste Vertraute, könnte man sagen. Sein Wohlergehen liegt mir persönlich am Herzen. Er ist ein beschäftigter Mann, zuweilen ungestüm, sorglos. Er käme auf die Idee, dieses Gerät einfach einzuschalten. Aber man weiß bei diesen Artefakten der Alten ja nie so genau, was passiert. Ich bin da etwas vorsichtiger. Ihr seid doch Priester, Ihr kennt Euch mit diesen Dingen aus. Also wozu dient es?“, fragte Isi noch einmal.
„Das … das kann ich nicht sagen“, beharrte Jarol.
„Ihr wollt es nur nicht sagen. Ist es gefährlich?“, fragte Isi weiter.
Dabei fuhr sie Jarol sanft durchs Haar, ihre Hand wanderte bis zum Hals. Dort angekommen gruben sich ihre Fingernägel in Jarols Haut. Er schrie kurz auf. Isi zuckte beim Anblick des ersten Blutstropfens zurück, ließ die Fingerspitzen über die Wunde gleiten, so als wolle sie das Blut zurück in Jarols Körper schubsen. Als dies nicht half, nahm sie ein Tuch und tupfte damit beinahe frenetisch auf der Wunde herum.
„Seht Ihr, wozu Ihr mich treibt“, sagte sie, „Warum seid Ihr derart verstockt? Es ist doch nur ein einfacher schwarzer Kasten, seine Funktion sicher nicht derart aufregend“
Isi hielt die kleine Maschine der Alten noch einmal in die Höhe fummelte ein wenig daran herum. Im gleichen Augenblich erreichten zwei neue Gäste den Pavillon.
„Entschuldigt, Königin Isi, ich bringe Euch wie befohlen die Verdammte“, sagte ein Dienstmädchen am Eingang.
Hinter ihr blickte Mo in den Schatten der Laube. Als sie Isi mit dem Kästchen spielen sah, weiteten sich ihre Augen, leuchteten hell auf.
„Nicht!“, rief sie.
Zu spät, Isi hatte das Gerät soeben aktiviert. Der hohe Ton füllte die Laube, Mo hielt sich beide Hände an den Kopf, sackte – das Gesicht eine schmerzverzerrte Maske – auf die Knie. Nur Augenblicke später erloschen ihre leuchtenden Augen und sie blieb regungslos liegen. Das Dienstmädchen übergab sich auf Mos Körper. Auch Isi und Jarol wanden sich vor Schmerzen, ihre Körper krampften sich regelrecht zusammen. Das Gerät war zwischen die Kissen gerutscht, unauffindbar für die Gequälten. Das Martyrium dauerte mehrere Minuten an, bis das Gerät langsam leiser wurde und schließlich ganz verstummte. Am ganzen Leib zitternd, unfähig sich sonst noch zu rühren, lagen die Anwesenden in ihrem eigenen Erbrochenen.
***
Das Zimmermädchen hatte gedrängt, natürlich, Königin Isi lässt man nicht warten. Das verstand Sleem. Die Antwort auf seine Offenbarung musste zurückstehen. Doch dieses untätige Warten zehrte an seinen Nerven, erschien unerträglich. So unerträglich, dass Sleem nach wenigen Minuten beschloss, ihr zu folgen. Allein der Anblick ihres eleganten, federnden Ganges belohnte Sleem für diesen Entschluss. So bekam sein Herz auch einen regelrechten Stich, als sie kurz darauf in die königlichen Gärten einbog und seinem Sichtfeld entschwand. Seine Beine zitterten noch ein wenig von seinem hastigen Weg hierher zum Gästehaus, das Schritttempo zu erhöhen, kam deshalb leider nicht infrage. So dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis auch er in die Mitte der Gärten und damit in die Nähe von Isis Lieblingsplatz gelangte. Noch einmal verlangsamte er hier das Tempo, ein flaues, mit jedem Schritt scheinbar stärker werdendes Gefühl in der Magengegend zwang ihn dazu. Kurz darauf einsetzende Kopfschmerzen trugen ebenfalls nicht gerade zum Wohlbefinden bei. Als sich die Übelkeit verstärkte, legte Sleem eine Pause ein. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder imstande sah, seinen Weg fortzusetzen. Er benötigte noch zwei weitere Pausen, dann endlich erreichte er den Pavillon auf dem kleinen Hügel.
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