Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
stand am Fenster, starrte nun schon den ganzen Morgen auf den Platz. Das Hochzeitskleid raschelte, als Pelli daran herum zupfte. Schon vor Stunden hatte Nomo sich selbst angekleidet, zur großen Überraschung ihrer Mutter. „Wirst du doch noch vernünftig“, hatte Lebell frohlockt. Wenn sie wüsste. Niemand sollte die einfache Hose sehen, die Nomo unter dem Kleid trug. Pelli sagte etwas, verließ dann das Zimmer. Nomo hörte nicht hin. Vom Tisch zog der Duft des Frühstücks herüber, doch ihr fehlte jeglicher Appetit. Die Bewohner der Stadt strömten in Gruppen in den Palastbezirk. Die Gelegenheit, einmal hinter die hohe Mauer zu schauen, ließ sich kaum einer entgehen. Da! Lugte dort nicht Kex aus der Masse heraus? Nomo legte beide Hände neben dem Kopf an die Scheibe … Nein, doch nicht. Nomos Schultern sanken ein wenig tiefer. Sie hatte so gehofft, ihn zu entdecken, zu sehen, wie er seine Mitstreiter postierte, um sie aus den Händen von Kirai zu befreien. Doch noch immer fehlte jede Spur von ihm. Und mittlerweile wurde es zunehmend unwahrscheinlich, dass sie ihn unter den vielen Menschen auf dem Platz würde ausmachen können. Sie fühlte sich elend, alleingelassen. Der Bote, der ihren Brief an Kex überbracht hatte, war ohne eine Antwort zurückgekehrt.
***
Er saß an seinem Bett, hielt ihre Hand. Die Morgensonne blinzelte durchs Fenster, tanzte auf ihrem Gesicht. Bei den Alten, war sie schön. Bisweilen stöhnte sie leise, doch es klang weit weniger beunruhigend als gestern. Auch zitterte ihr Körper nicht mehr. Der Heiler hatte sie eingehend untersucht, ihr einige seiner Tinkturen eingeflößt. Geholfen hatte es wenig. Erklären, an welcher Krankheit sie litt, konnte er nicht. Schon vor Stunden hatte Sleem ihn davon gejagt. Sleem bereute, nicht selbst in die Geheimnisse der Medizin hinein geschnuppert zu haben. Er wäre sicher ein besserer Experte geworden als dieser Scharlatan. Bisher erschien ihm die Medizin nutzlos, Krankheiten rafften die Schwachen dahin, egal wie sehr sich ein Heiler bemühte. Warum das Leiden der Leidenden unnötig verlängern. Vor allem aber ekelte er sich vor dem Anblick, dem Geruch der Kranken anhaftete. Doch nun lag sein Glück, seine Liebe vor ihm auf dem Bett und das erste Mal in seinem Leben fühlte er sich hilflos. Draußen verkündeten Fanfaren den baldigen Beginn der Hochzeit. Eigentlich sollte Sleem dort sein, an der Seite seines neuen Meisters Kirai. Sicher verfluchte dieser bereits die Alten wegen Sleems Fehlen. Sollte er nur. Sleem würde warten, bis sie aufwacht. Er blieb bei ihr.
***
„Wie bin ich hierhergekommen?“, fragte Isi das Dienstmädchen.
Ihr Kopf schmerzte fürchterlich und ihre Beine weigerten sich beinahe, das Gewicht ihres Körpers zu tragen, als sie sich aus dem Bett erhob. Die Erinnerungen an den gestrigen Tag waren nur noch vage, der Priester, ein Artefakt, Übelkeit. Schreckliche Übelkeit. Der Rest fehlte irgendwie.
„Man hat Euch im Pavillon gefunden, meine Königin, und in Eure Gemächer bringen lassen. Ihr wart sehr krank. Der Heiler hat Euch eine seiner stärksten Tränke gegeben. Wir haben uns alle Sorgen gemacht. Geht es Euch wieder besser? Ihr solltet Euch noch ausruhen“, antwortete das Dienstmädchen.
„Danke für eure Sorgen. Jetzt helft mir beim Ankleiden. Die Hochzeit zwischen Kirai und der Prinzessin werde ich nicht verpassen!“, entgegnete Isi.
Ein weiteres Dienstmädchen steckte ihren Kopf durch die Tür.
„Zwei der königlichen Gäste verlangen Euch zu sprechen, Königin Isi. Sie fragen nach der jungen Frau, die Euch gestern in der Laube besucht hat“, sagte sie.
„Junge Frau? Ach, sie meinen wohl das Mädchen mit den schimmernden Augen. Hat sie mich besucht? War sie nicht im Pavillon? Nein? Wie du siehst, erinnere ich mich nicht, bin also keine große Hilfe. Außerdem muss ich mich auf die Hochzeit vorbereiten. Schick sie weg“, befahl Isi, „Und du sei gefälligst nicht so grob. Du reist mir ja den Arm aus!“
„Entschuldigung, meine Königin. Ich werde vorsichtiger sein“, versprach das erste Zimmermädchen.
Das Zweite machte einen tiefen Knicks und verschwand.
***
Kex schlenderte die breite Straße zum Palast entlang. Er hatte es nicht eilig. Nur noch wenige andere Menschen begleiteten ihn, die meisten waren längst im Palast. Natürlich auch der Rest der Bande. Die gesamten Bewohner der Stadt auf derart engem Raum, dazu noch jede Menge reiche Beseelte, derartige Traumbedingungen für einen Raubzug
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